Regierungsumbau in Polen: „Aufräumen und Wiederaufbau“

Der polnische Premier Donald Tusk tauscht vier prominente Minister aus. Sie sollen den EU-Wahlkampf anführen.

Menschen mit polnischen Fahnen stehen um ein rauchendes Feuer

Drinnen stellt der polnische Premier Donald Tusk neue Kabinettsmitglieder vor, draußen protestieren rechte Bauern gegen die EU Foto: Czarek Sokolowski/ap/dpa

WARSCHAU taz | Während ihn draußen protestierende Bauern als Vogelscheuche am Galgen baumeln ließen, hat Polens Premier Donald Tusk am Freitag in Warschauer Sejm den Umbau der noch jungen Regierung vorgestellt. Gleich vier Minister sollen als Zugpferde in den EU-Wahlkampf ziehen und nach dem 9. Juni als EU-Parlamentarier Politik in Straßburg machen.

Während draußen Zehntausende Bauern und Anhänger der nationalpopulistischen Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) „Tusk wie Adolf“ und „Weg mit dem Green Deal“ skandieren, skizziert Tusk im Sejm, dem polnischen Abgeordnetenhaus, die Zukunft Polens in einer sicheren und starken EU. Am Montag soll Präsident Andrzej Duda die vier neuen Minister feierlich vereidigen.

„Wir mussten als erstes die Mauer einreißen“, begründete Tusk die lange angekündigte Umstrukturierung des Mitte-links-Kabinetts. „Jetzt geht es ums Aufräumen und den Wiederaufbau.“ Mit der Mauer meinte Tusk die Festungsanlage, die die PiS in den acht Jahren ihrer Regierungszeit seit 2015 aufgebaut hatte, um sich die Macht auch weit über die Zeit eines Regierungswechsels zu sichern. Konkret handelt es sich dabei um Dutzende Verwaltungs- und Managerposten auf oberster Ebene, Hunderte neue Institutionen, deren lukrative Stellen allesamt mit PiS-Leuten besetzt wurden und Zehntausende dankbare Beamte und Angestellte, die nur aufgrund der PiS-Partei Karriere machen und zu Geld kommen konnten.

Obwohl alle vier Minister – Maciej Kiewiński (Inneres), Bartłomiej Sienkiewicz (Kultur), Borys Budka (Staatsvermögen) und Krzysztof Hetmann (Technologie) – als „Macher“ gelten, ist dieser Wandel vom Abbruch zum Wiederaufbau im Kulturministerium besonders deutlich zu erkennen. Siekiewicz hatte die schwierige Aufgabe, den bisherigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, den die PiS in eine gigantische Parteipropagandaschleuder umgewandelt und mit zahlreichen Gesetzen und Medienaufsichtsgremien für sich abgesichert hatte, wieder in einen tatsächlichen öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu verwandeln.

Tomasz Siemoniak wird einer der mächtigsten Politiker

Mit einem ganzen Stab an Rechtsberatern und viel juristischer Fantasie fand er eine Gesetzeslücke: TVP und Polskie Radio sind im polnischen Handelsregister als Ein-Personen-Aktiengesellschaft eingetragen, dessen Eigentümer der Kulturminister ist.

Nachdem Präsident Andrzej Duda gegen Milliardenzuschüsse für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sein Veto eingelegt hatte, erklärte Sienkiewicz TVP und Polskie Radio für pleite und leitete ihre Liquidierung ein. Das ­Signal der beiden PiS-Hauptpropagandasender TVP und TVP Info wurde kurzzeitig abgestellt. Die PiS-Intendanten mussten gehen. Seitdem wird mühselig eine neuer öffentlich-rechtlicher Rundfunk aufgebaut.

Nachfolgerin Hanna Wróblewska ist eine erfahrene Museumsleiterin und Kunstkuratorin. Ihre Ernennung wurde in polnischen Kulturkreisen mit großer Erleichterung und Hoffnung aufgenommen. Sie kann sich nun vorrangig um den Neuaufbau der Kulturlandschaft Polens kümmern.

Tomasz Siemoniak, der in einer früheren Tusk-Regierung von 2011 bis 2015 Verteidigungsminister war und seit Dezember Geheimdienstkoordinator ist, übernimmt nun auch das übergeordnete Innenministerium. Er steigt damit zu einem der mächtigsten Politiker Polens auf. Jakub Jaworowski, der kein Politiker, sondern ein Wirtschaftsexperte ist, soll das Ministerium für Staatsvermögen abwickeln, sodass dessen Aufgaben künftig vom Wirtschafts- und Finanzministerium wahrgenommen werden können. Krzysztof Paszyk von der Bauernpartei PSL soll künftig das Ministerium für Entwicklung und Technologie leiten.

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