Neues Abschiebegesetz: Ist Seenotrettung jetzt strafbar?

Die Ampel hat sogenannte Rückführungen erleichtert und will Schleu­se­r:in­nen bestrafen. Werden nun auch Flucht­hel­fe­r:in­nen kriminalisiert?

Bundesinnenministerin Nancy Faeser spiegelt sich in einer Glastür.

„Seenotrettung wird nicht kriminalisiert“, meinte Nancy Faeser (SPD) bei der Verabschiedung des Rückführungsförderungsgesetzes Foto: imago

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte am Donnerstag im Bundestag bei der Verabschiedung des Rückführungsförderungsgesetzes: „Bei den gesetzlichen Änderungen haben wir sichergestellt, dass die Seenotrettung nicht kriminalisiert wird.“ Aber stimmt das wirklich?

In Deutschland ist die Seenotrettung, also die Rettung von schiffbrüchigen Flüchtlingen, bisher nicht strafbar. Im Koalitionsvertrag der Ampelparteien heißt es auch, dass die Seenotrettung nicht behindert werden dürfe, es sei „eine zivilisatorische und rechtliche Verpflichtung, Menschen nicht ertrinken zu lassen“. Das Auswärtige Amt bezuschusst Seenotrettungsorganisationen aufgrund eines Bundestagsbeschlusses sogar mit bis zu zwei Millionen Euro pro Jahr.

Strafbar ist in Deutschland bisher nur das eigennützige Einschleusen von Aus­län­de­r:in­nen in die EU. Gemeint sind vor allem kommerzielle Schlepper:innen, die mehrere Tausend Euro für ihre Dienstleistung verlangen und dennoch die Mi­gran­t:in­nen oft in Lebensgefahr bringen.

Im ursprünglichen Regierungsentwurf für ein Rückführungsförderungsgesetz, das Abschiebungen erleichtert, sollte sich an der Straflosigkeit von altruistischer Seenotrettung nichts ändern. Erst in einem Formulierungsvorschlag des Bundesinnenministeriums für einen Änderungsantrag war eine komplizierte Formulierung enthalten, die auch die selbstlose Seenotrettung strafbar gemacht hätte. Das eigentliche Ziel von Faesers Vorstoß aus dem November war eine Strafverschärfung für kommerzielle Schleuser:innen.

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Auf Kritik reagierte Faeser umgehend und erklärte: „Seenotrettung wird nicht kriminalisiert.“ Auch wenn sie vom Straftatbestand erfasst werde, sei sie in der Regel als „gerechtfertigt anzusehen, um Gefahren für Leib und Leben abzuwenden“. Gemeint ist damit ein rechtfertigender Notstand gemäß Paragraf 34 des Strafgesetzbuchs. Allerdings müsse es strafbar sein, wenn altruistische Schleu­se­r:in­nen mit Waffengewalt die Grenze durchbrechen; das Innenministerium verwies auf einen Vorfall an der kroatischen Grenze.

Kritiker wie David Werdermann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) waren durch diese Klarstellung nicht besänftigt. Der rechtfertigende Notstand erfordere immer eine Abwägung, deren Ausgang nicht sicher vorhersehbar sei. Selbst wenn ein deutsches Gericht am Ende die Seenotretter freispreche, könne schon das Ermittlungsverfahren belastend sein. Auch könne es dabei zu Telekommunikationsüberwachung und Beschlagnahmungen kommen. Es drohe eine Einschüchterung der Seenotretter, ein ­chilling effect.

Die Ampelkoalition reagierte auf die Kritik und änderte kurzfristig den Gesetzentwurf zum Rückführungsförderungsgesetz. Nun wird klargestellt, dass die Strafverschärfung nur für Schleusungen auf dem Landweg gelte. Seenotrettung wäre damit ausgeschlossen. Wohl aufgrund eines handwerklichen Fehlers wurde jedoch übersehen, dass immer noch eine grundsätzliche Strafbarkeit für die altruistische Einschleusung von Minderjährigen (auch auf dem Seeweg) bliebe. Dies führte erneut zu Protesten, schließlich seien Minderjährige besonders schutzbedürftig.

Das Rückführungsförderungsgesetz, das effizientere Abschiebungen vorsieht, wurde an diesem Donnerstag im Bundestag beschlossen, inklusive der kurzfristigen Änderung. Der Grünen-Abgeordnete Helge Limburg versprach: „Sollte sich herausstellen, dass es hier doch noch rechtliche Unklarheiten, Ungenauigkeiten gibt, dann wird es natürlich auch da eine Klarstellung geben.“

Auf taz-Anfrage erklärte das Bundesinnenministerium an diesem Freitag, man habe das Gesetz noch einmal geprüft und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass kein Nach­regelungsbedarf bestehe, denn: „Die Seenotrettung Minderjähriger wird durch das ­Gesetz zur Verbesserung der Rückführung nicht ­kriminalisiert.“

Angesichts des eindeutigen gesetzgebe­rischen Willens dürfte das Risiko einer Kriminalisierung von Seenotrettern in ­Deutschland damit bis auf Weiteres eher ­theoretischer Natur sein. Eine wasserdichte Formulierung wäre aber möglich und sollte bei der nächsten Änderung des Aufent­haltsgesetzes eingefordert werden.

Christian Rath

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