Missbrauch im indischen Ringerverband: Ringen um Gerechtigkeit

Die Turbulenzen im indischen Ringerverband nehmen keine Ende. Sport­le­r:in­nen wehren sich gegen Missbrauch und Willkür von Funktionären.

Lautstarker Widerspruch: Ringer Bayrang Punia (m.) bei Protesten in Neu-Delhi Foto: imago/Hindustan Times

MUMBAI taz | Frauen an der Spitze des Ringerverbandes seinen unerlässlich, um die Sicherheit der Sportlerinnen zu garantieren und Belästigungen zu stoppen, forderte die Olympiamedaillengewinnerin Sakshi Malik zum Ende des Jahres erneut. Begonnen hatte 2023 für sie und ihre Mit­strei­te­r:in­nen mit einem viermonatigen öffentlichen Protest. Es ging ihnen um die Absetzung des damaligen Präsidenten des Ringerverbandes WFI, Brij Bhushan Singh.


Singh, ein 66-jähriger einflussreicher Politiker der hindunationalistischen Regierungspartei BJP, sieht sich schweren Vorwürfen ausgesetzt. Mehrere erfolgreiche Sportler:innen, darunter Malik, beschuldigen ihn des sexuellen Missbrauchs, finanzieller Unregelmäßigkeiten und des Amtsmissbrauchs. Erst nachdem das Oberste Gericht die Hauptstadtpolizei angewiesen hatte, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, trat Singh zurück – Monate nach Beginn der Proteste.

Sie warfen einen Schatten auf den populären Sport: Im August wurde der WFI durch den Weltverband United World Wrestling ausgeschlossen. In der Stellungnahme wurde auch der Schutz der Ath­le­t:in­nen nach den Anschuldigungen gegen den ehemaligen WFI-Präsidenten als Grund für die Sanktionierung genannt.

Nachdem Singh seinen Posten räumen musste, wollte er sich seinen Einfluss im Sport aber weiter sichern. Sein Weggefährte und Sportfunktionär Sanjay Singh kandidierte also im Dezember bei den Verbandswahlen. Er sollte seinen Posten übernehmen. Umringt von Anhängern und mit Girlanden geschmückt, feierte Brij Bhu­shan Singh bereits seinen Masterplan.

Aufschrei

Doch das löste einen Aufschrei aus. 

„Wir haben mit ganzem Herzen gekämpft, aber wenn ein Mann wie Brij Bhushan Singh, sein Geschäftspartner und enger Vertrauter, zum Präsidenten der Verbandes WFI gewählt wird, höre ich mit dem Ringen auf“, drohte die 31-jährige Sakshi Malik. Die Enttäuschung war groß, da ihr die Regierung versichert hatte, dass weder Brij Bhushan Singh noch einer seiner Loyalisten ein Amt in der WFI bekleiden werde. Um damals die Proteste zu beenden, war sogar Sportminister Anurag Thakur (BJP) eingeschritten.

Doch bisher änderte sich nicht viel, denn nach Malik kündigten weitere Ath­le­t:in­nen drastische Schritte an: Ringer-Kollegin Vinesh Phogat verkündete, aus Widerstand gegen den neuen Verbandspräsidenten auf ihre Sportauszeichnungen zu verzichten. Die 29-Jährige schrieb einen Brief an Premierminister Narendra Modi (BJP), in dem sie Respekt und Würde für Frauen einforderte. Ihr folgten männliche Kollegen wie Olypmiasieger Bajrang Punia und Deaflympics-Sieger Virender Singh, die ebenfalls Trophäen symbolisch zurückgaben.

Es zeigte sich, dass es für Singh nicht so einfach sein würde, eine Aufarbeitung der Vorwürfe zu torpedieren. Zu Weihnachten setzte das Sportministerium das neue Leitungsgremium ab. Es habe den Anschein, dass die Kontrolle in den Händen ehemaliger Funktionäre läge. „Wir werden versuchen, die Rin­ge­r:in­nen zu überzeugen, und sie auffordern, ihre Auszeichnungen zurückzunehmen“, hieß es von Behördenseite. 



Schließlich reagierte die Regierung auf den öffentlichen Druck. Die Riege mutiger Sport­le­r:in­nen um Malik, die sich gegen die Missstände im indischen Ringsport wehren, konnte einen Teilerfolg verbuchen. Doch die Forderung nach Aufklärung des Missbrauchs sowie nach „freien und fairen“ Wahlen für das Ringergremium bleibt bestehen. Mit­strei­te­r:in­nen vermuten, dass die Regierung versucht, das Thema beiseitezuschieben, da in wenigen Monaten Parlamentswahlen anstehen.

Obwohl Brij Bhushan Singh im Dezember seinen Rückzug erklärte, ist er immer noch in einer mächtigen Position. Es gibt Befürchtungen, dass er seine Macht weiterhin nutzen wird, um die Justiz zu behindern. Ringerin Malik sorgt sich unterdessen um junge Sportlerinnen. Sie hält an ihrer Hauptforderung fest: eine weibliche Spitze für den Ringerverband.

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