MenschenrechtlerInnen in Russland: Razzien in Moskau

Russische Behörden durchsuchen gleich mehrere Büros von Organisationen wie Memorial. Vertreterin Swetlana Gannuschkina wird zum Verhör gebeten.

Menschen haben Plakate in den Händen mit der Aufschrift "Memorial bleibt"

Ende 2021 in Berlin: DemonstrantInnen protestieren gegen die Schließung von Memorial Foto: K.M.Krause/snapshot-photography/imago

BERLIN taz | Erneut gingen die russischen Behörden am Freitag gegen ihre KritikerInnen vor. Am Freitagvormittag durchsuchten sie zwei Büros der Menschenrechtsorganisation Memorial in Moskau. Beamte der Bundespolizei Rosgwardija waren in das Gebäude eingedrungen. Gegenüber der Nachrichtenagentur RIA Novosti bestätigte die Vertreterin von Memorial, Swetlana Gannuschkina, die Hausdurchsuchung.

Man habe keinen Kontakt zu den MitarbeiterInnen, so Gannuschkina, die vor dem Gebäude warten musste. Offensichtlich habe man diesen die Mobiltelefone abgenommen. Gegenüber der taz erklärte der Vorsitzende der Gesellschaft Memorial, Jan Ratschinskij, er wisse nicht, was in den Räumlichkeiten von Memorial genau vor sich gehe, da man ihm den Zutritt zum Gebäude verwehrt habe.

Ebenso erging es der Anwältin Svetlana Sidorkina. Auch sie durfte die Räumlichkeiten von Memorial in der Maly Karetny-Straße, dessen Mandat sie hat, nicht betreten. Inzwischen haben die AnwältInnen von Memorial den Europäischen Menschengerichtshof gebeten, die russischen Behörden anzuweisen, die Durchsuchungen einzustellen.

Im November hatten die Generalstaatsanwaltschaft und die Staatsanwaltschaft Moskau die Auflösung der Gesellschaft Memorial und des Menschenrechtszentrums Memorial beantragt. Am 28. Dezember ordnete der Oberste Gerichtshof Russlands die Auflösung von Memorial International an. Am folgenden Tag erließ das Moskauer Stadtgericht ein ähnliches Urteil gegen das Menschenrechtszentrum Memorial.

Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft hat die Gesellschaft Memorial das Gedenken an den Zweiten Weltkrieg verfälscht und die UdSSR als Terrorstaat beschrieben. Gleichzeitig hatte man Memorial verdächtigt, sich von terroristischen und extremistischen Organisationen nicht abgegrenzt zu haben. Auch bezichtigte man die beiden Organisationen, das Gesetz zu den „ausländischen Agenten“ durch fehlende Kennzeichnung missachtet zu haben.

„Niemand wird gefoltert“

Das russische Gesetz zu ausländischen Agenten verpflichtet das Justizministerium, regierungskritische Organisationen in eine Liste „ausländischer Agenten“ einzutragen. Wer in dieser Liste eingetragen ist, muss bei allen Veröffentlichungen angeben, dass er als ausländischer Agent geführt wird. Die russischen Menschenrechtsorganisationen sehen in diesem Gesetz eine Diskriminierung unabhängiger gesellschaftlicher Arbeit.

Ein weiterer Vorwurf war, Memorial könnte mit seiner Arbeit bei seinen Mitbürgern Depressionen verursachen. Die Gesellschaft Memorial beschäftigt sich vor allem mit der Aufarbeitung der Stalin-Zeit, das Menschenrechtszentrum Memorial arbeitet zu Menschenrechtsverletzungen in der Gegenwart. Beide Organisationen sind seit fünf Jahren im Register der „ausländischen Agenten“ eingetragen.

Am Freitagnachmittag tauchten Beamte des russischen Innengeheimdienstes FSB auch bei der Organisation Bürgerlicher Beistand auf und führten dort eine Hausdurchsuchung durch. Dabei wurden Computer und andere Gegenstände beschlagnahmt. Anschließend wurde die Vorsitzende der Organisation, Swetlana Gannuschkina, zu einem Verhör „gebeten“. Dies berichtet Gannuschkina telefonisch der taz.

Bei einer Zigarettenpause habe eine FSB-Mitarbeiterin, so berichtet das Portal ovd.news, die Mitarbeiterinnen des Bürgerlichen Beistandes beruhigt: „Wir führen hier lediglich Ermittlungen durch. Niemand wird gefoltert.“

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