Macron setzt Rentenreform durch: Eine Wende, kein Ende

Macron hat seine Rentenreform gegen den Willen der Bürger durchgedrückt. Deren Protest wird aber nicht abebben, sie formulieren neue Forderungen.

Eine dunkle Staße bei Nacht, nur eine brennende Barrikade schimmert auf

Die Wut über die Rentenreform wird nicht ausgelöscht, im Gegenteil Foto: Laurent Cipriani/AP/dpa

Mit dem Urteil der Verfassungsrichter gibt es nach Ansicht von Präsident Emmanuel Ma­cron zur Rentenreform nichts mehr zu diskutieren. Das ist eigentlich nichts Neues, denn von Beginn weg wollte er den Einwänden keinerlei Beachtung schenken. Seine einzige Antwort war die Politik des „fait accompli“: Von Anfang an wollte er die Kritiker, die Millionen Bür­ge­r*in­nen, die streikten und demonstrierten, einfach vor vollendete Tatsachen stellen – allen Umfragen, die zeigen, dass eine klare Mehrheit seine Reform ablehnt, zum Trotz.

Formalrechtlich ist die Debatte damit nun beendet. Nicht aber der Konflikt. In Wirklichkeit bedeutet der Entscheid der Conseil constitutionnel nicht ein Ende, sondern eine Wende für den Widerstand. Dieser richtet sich gegen eine zusehends arrogante Staatsführung. Da die ihre Reform nicht auf normalem parlamentarischem Weg, sondern ohne abschließende Debatte und ohne Abstimmung durchgesetzt hat und jetzt keinen demokratischen Freiraum zur Fortsetzung der Diskussion offen lässt, wird der Widerstand zwangsläufig aus dem institutionellen Rahmen gedrängt.

Selbst die gemäßigten Gewerkschaftsbosse finden es unverständlich, ja schockierend, mit welcher „Verachtung“ der Präsident das Ausmaß der Ablehnung seiner Politik zu ignorieren vorgibt. In der gewerkschaftlichen und politischen Opposition sind sich alle einig, dass in Frankreich aus dem Sozialkonflikt eine „Krise der Demokratie“ geworden ist. Hat Macron die Gelbwesten-Proteste schon vergessen?

Die Demonstrationen der Re­form­geg­ne­r*in­nen gehen weiter, vielleicht mit etwas weniger Leuten, aber dafür mit weitergehenden Forderungen. Das ist das Risiko, das Macron bewusst eingeht. Zur Forderung, die unpopuläre Rentenreform zurückzunehmen, kommt nun immer häufiger diese: Wenn der Präsident die demokratischen Rechte und den Volkswillen nicht respektiert, soll er abtreten! Vielleicht wäre es ratsam für Macron, in den Geschichtsbüchern nachzulesen, wie 1789 die Französische Revolution begonnen hat?

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Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.

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