Kommentar Kompromiss zu 219a: Die Kriminalisierung bleibt

Der Kompromiss zum Werbeverbot für Abtreibungen ist unzureichend. Wenn es um Grundrechte geht, sind Tippelschritte nicht akzeptabel.

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SPD und Union wollten das Thema 219a am Ende schnell hinter sich bringen Foto: Ralf Hirschberger/dpa

Nehmen wir mal den folgenden Halbsatz: „Schwangerschaftsabbruch, operativ oder medikamentös mit Mifegyne“. Wegen dieses Halbsatzes müssen sich die Kasseler Frauenärztinnen Nora Szász und Natascha Nicklaus vor Gericht verantworten. Daran ändert der Beschluss, den der Deutsche Bundestag gerade in Sachen Paragraf 219a gefasst hat: Nichts. Nicht die Bohne. Denn dieser Satz bleibt auf der Webseite der Ärztinnen weiterhin strafbar.

Gleichzeitig ist die Bundesärztekammer künftig angehalten, genau diese Information öffentlich bereit zu stellen. Ein und derselbe Satz, der auf der einen Webseite Pflicht ist, soll auf der anderen strafrechtlich verfolgt werden.

Was für jeden vernünftig denkenden Menschen nur bizarr sein kann, hat die Große Koalition am Donnerstag besiegelt. SPD und Union wollten das Thema 219a am Ende schnell hinter sich bringen – CDU und CSU wollten es ohnehin nie anfassen, und der SPD war die Debatte zuletzt ein lästiger Klotz am Bein, der nicht gerade vorteilhaft auf ihr Image ausstrahlte.

Allein: Dieser Klotz sollte Deutschland dringend erhalten bleiben. Der Kompromiss beim Paragrafen 219a ist nicht nur für sich völlig unzureichend; er zeigt auch, in welche Richtung Deutschland international in der Debatte über körperliche Selbstbestimmung tendiert. Und da gilt es gegenzuhalten.

Irland macht vor, wie es gehen könnte

Restriktive Abtreibungsgesetze jeder Art (von denen die WHO übrigens entschieden abrät) sind das Feld rechter Regierungen wie der in Ungarn oder in Polen. Auch in Deutschland ist mit dem Paragrafen 218 Abtreibung eine Straftat – in bestimmten Fällen aber straffrei. Wie man auf diesem Feld hingegen fortschrittliche Politik macht, hat erst im vergangenen Jahr Irland bewiesen.

Dort starben noch vor wenigen Jahren Frauen, weil man ihnen eine Abtreibung verweigerte. Doch nun hat das Land Schwangerschaftsabbrüche legalisiert, es gilt – wie in vielen anderen europäischen Ländern – eine Fristenlösung. Deutschland ist nicht mal in der Lage, die vollumfängliche Information über das Wer, Wo und Wie von Abbrüchen nicht länger zu kriminalisieren, geschweige denn den Eingriff selbst. In Irland übernimmt künftig die Krankenkasse die Kosten dafür.

Die Forderung nach der Abschaffung von 219a allein war schon ein Kompromissangebot von progressiver Seite an die Konservativen; es ging lediglich um Information, nicht um Abtreibungen selbst. Sie haben es ausgeschlagen. Somit ist klarer denn je: Wenn es um die Einhaltung von Grundrechten geht, sind Tippelschritte nicht akzeptabel.

Schluss mit der Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen: My body, my choice.

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leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

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