Gaulands Gastbeitrag: Der Wolf im „FAZ“-Pelz
Gastbeiträge in Zeitungen sind wichtig für die gesellschaftliche Debatte. Doch sie sollten Politikern keine Bühne bieten. Erst recht keinen Rassisten.
Alexander Gauland hat einen neuen Lautsprecher: die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Am Samstag durfte er dort in einem Gastbeitrag erklären, warum es seiner Meinung nach Populismus brauche. Die Aufmerksamkeit war enorm. Dafür hat die FAZ eine der wichtigsten journalistischen Pflichten verraten: Sie hat die AfD-Ideologie nicht hinterfragt und eingeordnet, sondern den LeserInnen auf dem Silbertablett präsentiert.
Gauland schreibt in dem Beitrag über eine globalisierte Klasse, die in allen möglichen Institutionen sitze. Die Verlierer der Globalisierung würden nur Gehör bei den Populisten finden. Online brachte die FAZ unkommentiert Zitattafeln mit Gaulands Worten. Damit setzt die Zeitung ein Zeichen: Was Gauland sagt, ist so normal wie wichtig.
„Beim Artikel handelt es sich um einen Gastbeitrag, mit dem wir uns nicht gemein machen“, reagiert die FAZ auf wütende Twitterkommentare. Doch mit dieser Floskel macht es sich die Zeitung zu einfach. Sie hat Gauland durch ihren Namen etwas Wertvolles verliehen: Legitimität. Dass unter der seriösen FAZ-Hülle ein Rassist und Nationalist schreibt, ist schnell vergessen, wenn der Beitrag selbst gar nicht so böse klingt. Wessen Meinung in der „Zeitung für Deutschland“ erscheint, der kann so schlimm nicht sein. Dieser Rückschluss ist gefährlicher als der Beitrag selbst.
Dass Gauland sich harmlos und überlegt präsentieren kann, liegt daran, dass in einem Gastbeitrag der Kontext fehlt. Ein Interview kann immerhin kritisch hinterfragen, eine Reportage die Reaktionen auf eine hetzerische Rede einfangen. Im Gastbeitrag präsentiert sich der Autor dagegen von seiner besten Seite und richtet sich mit seiner Wortwahl direkt an die LeserInnen. Die meisten sind durchaus in der Lage, einen solchen Beitrag zu hinterfragen. Dabei lesen sie aber einen Text, dessen Wortwahl und Message genau auf sie zugeschnitten sind – und vielleicht lassen sie sich davon überzeugen.
Gastbeiträge in Zeitungen sind wichtig für die gesellschaftliche Debatte, weil sie überhörten oder unbequemen Meinungen eine Bühne bieten. Doch Gauland hatte allein in diesem Jahr bereits zweimal im FAZ-Interview Gelegenheit, seine Positionen zu erläutern. Politiker haben auf den Wahlkampfbühnen der Nation schon genug Möglichkeiten, ihre Meinungen ungefiltert in die Welt zu blasen. Die Zeitungen sollten kein solcher Ort sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“