Extrem warmer Herbstanfang: Die Tyrannei der Hitze

Es war der wärmste September – und vermutlich das wärmste Jahr aller Zeiten. Die Weltwetterorganisation warnt vor Folgen für Umwelt und Menschen.

Aufnahme mit einer Thermokamera einer trinkenden Person.

105 Grad Fahrenheit (43 Grad Celsius) im US-amerikanischen Phoenix, Aufnahme mit Thermokamera Foto: Carlos Barria/reuters

BERLIN taz | 16,38 Grad Celsius – so warm war die Erdoberfläche durchschnittlich in diesem September. Nach Angaben der Weltwetterorganisation WMO sind das rund 1,75 Grad mehr als im vorindustriellen Referenzzeitraum 1850 bis 1900. „Seit Juni erlebt die Welt eine beispiellose Hitze an Land und auf See“, erklärte WMO-Generalsekretär Petteri Taalas.

Die Temperaturanomalien seien enorm – „weitaus größer als alles, was wir jemals gesehen haben.“ Besonders besorgniserregend sei, dass sich das El-Niño-Ereignis gerade erst entwickelt. Taalas: „Wir können davon ausgehen, dass diese rekordverdächtigen Temperaturen noch Monate anhalten und kaskadenartige Auswirkungen auf unsere Umwelt und Gesellschaft haben werden.“

Nach Erhebung des europäischen Erdüberwachungsdienstes Copernicus lag die Temperatur im Juni weltweit um 0,53 Grad Celsius über dem Durchschnittswert aus den Jahren 1991 bis 2000. Damit war der Juni 2023 insgesamt 1,46 Grad wärmer als ein durchschnittlicher Juni vor Beginn der Industrialisierung.

In Bangladesch begann eine Hitzewelle mit Temperaturen über 40 Grad, es wurde die längste Hitzewelle des Landes seit einem halben Jahrhundert. In Indien kletterte das Thermometer auf 45 Grad, in den nördlichen Bundesstaaten registrierten die Behörden 96 Todesfälle. Peking erlebte mit 41,1 Grad einen neuen Rekord, in Mexiko stiegen die Temperaturen gar auf 49 Grad.

Im Sommer gab es in Deutschland Tausende Hitzetote

Getoppt wurden diese Werte vom Juli 2023 – dem heißesten, der bislang je auf der Erde gemessen wurde: Diesmal war auch Europa von einer Hitzewelle betroffen, am 24. Juli wurden auf Sardinien 48 Grad gemessen – die höchste Temperatur im Juli in Europa.

Menschen sitzen im Wasser, eine Person raucht.

Hitze kann gefährlich werden – nicht alle können sich abkühlen wie hier in Neapel Foto: Ciro De Luca/reuters

In Kalifornien kletterte das Thermometer auf 51 Grad, nicht einmal in der Nacht kühlte sich die Luft auf jene Temperatur ab, die ein gesunder Mensch als Körpertemperatur besitzt: 37 Grad. Auf dem Höhepunkt der nordamerikanischen Hitzewelle waren 110 Millionen US-Amerikaner betroffen, ein Drittel der US-Bevölkerung.

Aber auch in Deutschland waren viele Menschen vom Hitzetod bedroht, nach Angaben des Robert Koch-Institutes starben in diesem Sommer mehr als 3.100. Das sind mehr Tote als bei Verkehrsunfällen in Deutschland in einem Jahr.

„Langfristig muss es darum gehen, unsere Städte und unsere Häuser anzupassen“, fordert Henny Annette Grewe, Professorin für die medizinischen Grundlagen der Pflege.

In einer Studie zum Zusammenhang zwischen Hitzewellen und dem Klimawandel kamen Wissenschaftler zu dem Schluss, dass die Hitzewellen im Juli in der nördlichen Hemisphäre ohne globale Erwärmung „so gut wie unmöglich“ gewesen wären. Doch weil trotz des Pariser Klimaabkommens die weltweiten Emissionen immer weiter steigen, schlagen solche Ereignisse laut der Studie nun alle 15 Jahre in Nordamerika ein, in Südeuropa alle 10 Jahre, in China sogar alle fünf.

Ein Grund für die neuen Rekorde ist die Temperatur der Weltmeere, die 2023 sprunghaft angestiegen ist. Ende August lag sie durchschnittlich bei 21,1 Grad, 0,4 Grad mehr als im vergangenen Jahr. „Neben der globalen Erwärmung kommen in diesem Jahr zwei Sondereffekte hinzu“, erläutert Christian Wild, Professor für Marine Ökologie an der Universität Bremen. „2022 ist ein Unterwasservulkan ausgebrochen, wodurch den Meeren zusätzlich Wärmeenergie zugeführt wurde. Und im Juni begann das Wetterphänomen El Niño.“

Dieses führe zu einer starken Erwärmung der oberen Wasserschichten im Pazifik in Tropennähe entlang der mittel- und südamerikanischen Küste. Und wärmere Ozeane treiben natürlich die globale Oberflächentemperatur weiter in die Höhe: 2023 ist auf dem Weg, wärmstes Jahr der Menschheitsgeschichte zu werden.

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