Entlassung von Hubertus Knabe: Die Aufarbeitung ist zu wichtig
BürgerrechtlerInnen kritisieren die Debatte um die Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen. Der Streit habe sich zur Schlammschlacht entwickelt.
„Es reicht!“ – mit dieser Überschrift haben sich 40 BürgerrechtlerInnen und HistorikerInnen am Mittwoch mit einer Erklärung in der Debatte um die Berliner Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen zu Wort gemeldet. Ihr Tenor: Die Aufarbeitung von DDR-Unrecht sei viel zu wichtig und dürfe nicht durch den Streit über die Entlassung des langjährigen Direktors Hubertus Knabe beschädigt werden.
Man sehe mit Sorge, „dass das Anliegen der Aufarbeitung hinter der Debatte um eine Person verschwindet – zur Freude all jener, die die Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur als störend empfinden“. Orte wie Hohenschönhausen seien besonders wichtig, weil es wieder mehr Menschen gebe, „die die autoritäre und obrigkeitsstaatliche Führung eines Gemeinwesens begrüßen“.
Die UnterzeichnerInnen – unter ihnen die Liedermacher Wolf Biermann, Bettina Wegner, die ehemaligen BürgerrechtlerInnen Markus Meckel, Ulrike Poppe, Wolfgang Templin und Martin Böttger – setzen auf einen neuen Leiter. Dessen Amtszeit solle befristet werden, ein hoher wissenschaftlicher Standard müsse gewährleistet sein, Führungen durch Zeitzeugen „bleiben unverzichtbar“.
Der Streit habe sich zur „Schlammschlacht“ entwickelt, die Akteure verharrten in „Wagenburgen“ und würden den Konflikt politisch instrumentalisieren. „Wer die Gerichte umstandslos als politisch beeinflussbar und Teil einer linken Verschwörung des Stiftungsrates darstellt, bedient sich schlicht rechtspopulistischer Argumentationsfiguren“ – diese Kritik richtet sich gegen den Unterstützerkreis von Knabe, der die Entlassung für politisch motiviert hält.
Auch wenn er nicht beim Namen genannt wird, steht der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Arnold Vaatz im Fokus der Kritik. Er hatte den Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Linke) als treibende Kraft hinter der Entlassung ausgemacht und behauptet, in Berlin seien Gerichte politisch unter Druck gesetzt worden.
Hubertus Knabe war am 25. September vom Stiftungsrat unter Vorsitz von Lederer einstimmig nach 18 Jahren als Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen gekündigt worden. Vorausgegangen waren Vorwürfe sexueller Belästigungen, bei denen vor allem Knabes Stellvertreter im Fokus stand. Knabe hat gegen die Entlassung geklagt.
Leser*innenkommentare
Multatuli
Wow, 1a Framing von der taz und den 40 Räubern. Auf der einen Seite die Notwendigkeit eines Kampfes gegen autoritäre Führung und Obrigkeitshörigkeit betonen - im gleichen Atemzug jedoch Kritik am Vorgehen des Berliner Kultursenators der SED-Nachfolgepartei als rechtspopulistische Propaganda abtun: dazu braucht es schon einiges an Chuzpe. Das hätte auch Alibaba nicht besser hingekommen.
Aber mal im Ernst liebe taz, lieber Wolf Biermann und Co.: Ist die Vermutung, dass ein antikommunistischer und schon seit langem unbequemer an einer zentralen Gedenkstätte des SED-Terrors beschäftigter Wissenschaftler, nun von einem Politiker der SED-Nachfolgepartei im rot-rot-grünen Senat aus politischen Gründen geschasst werden soll, tatsächlich so abwegig? Vielleicht verdienen linke Politiker ja aber auch von vornherein einen Vertrauensbonus, da ihnen unethisches Verhalten sowieso fremd ist? Ansonsten kann ich mir diese vorauseilende Parteinahme für Lederers angebliche Motive nicht erklären.
Im Klartext: Der Ruf der Gedenkstätte droht nicht, beschädigt zu werden - er ist es bereits. Und das Hauptproblem dabei ist nicht Knabe, sondern das Vorgehen der politisch Verantwortlichen - an forderster Front Lederer. Anstatt luftige und unkonkrete Anschuldigungen vorzubringen, können in einem Rechtsstaat doch wohl zumindest handfeste Belege zu erwarten sein, die eine Entlassung rechtfertigen. Allein: da kam bislang nichts. Und alles andere ist nur fauler Zauber - in diesem Fall von scharf links.
Wie wäre es, sich einmal mit der von Arnold Vaatz dargelegten Chronologie des Falls zu befassen? (www.arnold-vaatz.d...r-dombrowski-mdl/) Das war bislang das Konkreteste, was ich zu dem Fall gelesen habe. Oder ist den moralisch Berauschten in Zeiten von #metoo (selbst)kritisches Denken nicht mehr möglich?! Wenn sogar Tarana Burke daran mittlerweile zweifelt, wäre es wohl angebracht, mal darüber nachzudenken.