Polizeispitzel enttarnt: Sabotage-Tipps vom V-Mann

Braunschweiger Tierschützer decken einen mutmaßlichen V-Mann des Kriminalamts auf. Ralf G. soll die Gruppe beobachtet und Ratschläge gegeben haben.

Mit einem V-Mann ist stets zu rechnen: Protest gegen den Schlachthof in Wietze. Bild: dpa

HANNOVER taz | Einen mutmaßlichen V-Mann des Landeskriminalamtes (LKA) haben Tierschützer in Braunschweig enttarnt, berichtete der NDR am Sonntag. Über ein Jahr lang war Ralf G. nach Recherchen von „Hallo Niedersachsen“ und NDR Info in der Gruppe unterwegs, die mit Flugblatt- und Blockadeaktionen gegen die Mast- und Schlachtindustrie kämpft.

Aufs reine Beobachten hat sich der mutmaßliche Spitzel dabei aber offenbar nicht beschränkt. Wertvolle Unterstützung für ihre Aktionen sei G. gewesen, der immer wieder Fahrdienste anbot, gibt die Gruppe an. In sozialen Netzwerken schrieb er „Advent, Advent, ein Maststall brennt. Wer macht weiter?“. Auch Tipps für Sabotagen soll er gegeben haben, wie die Aktivisten dem NDR in eidesstattlichen Erklärungen versichern. Mal erklärte Ralf G., wie man LKWs lahmlegt, mal wie man Maststall-Baustellen mit Wasser flutet.

Aufgegriffen hat die Gruppe, gegen die bislang wegen Blockadeaktionen wie Anketten, Hausfriedensbruch oder Widerstandshandlungen ermittelt wurde, die Tipps nach eigenen Angaben nicht. Rechtlich bedenklich sind sie gleichwohl: Laut niedersächsischem Polizeigesetz ist es V-Leuten verboten, bei anderen „den Entschluss zu wecken, Straftaten zu begehen“. Und selbst wenn beobachtete Personen grundsätzlich zu einer Straftat bereit wären, dürfen V-Leute sie nicht zu Delikten verleiten, die mit einem höheren Strafmaß bedroht sind.

Misstrauisch wurden die Aktivisten gegenüber G. erst, als Pläne aufflogen, die in konspirativem Kreis vorbereitet waren. Vergangenen Sommer etwa hatte man sich zu einer Blockade am Mega-Schlachthof in Wietze verabredet. Als die Gruppe in Wietze ankam, wartete dort schon ein Polizei-Großaufgebot. Ralf G. geriet schnell als Verräter unter Verdacht: Er soll bei vertraulichen Treffen auffällig viel mitgeschrieben und oft nach Namen gefragt haben. Für Theoriediskussionen soll er sich hingegen weit weniger interessiert haben.

"Vertrauenspersonen", kurz V-Leute, sind Privatpersonen, die meist gegen Geld spitzeln.

Der Verfassungsschutz setzt V-Leute ein, um Infos über Verfassungsfeinde zu gewinnen, die Polizei nutzt sie zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten.

Gestattet ist ihr Einsatz nach Niedersachsens Rechtslage bei Schwerkriminalität oder Staatsschutzdelikten, bei mittlerer Kriminalität nur im Einzelfall. Bei Bagatelldelikten kommen V-Leute "nicht in Betracht".

Falschinformation als Test

Mit einer Falschinformation testete die Gruppe ihn. Als auch die weitergegeben wurde, konfrontierte man ihn. G. stritt alles ab und zeigte den Aktivisten als Unschuldsbeweis sein E-Mail-Konto – was den Verdacht zusätzlich bestärkte: Immer wieder soll G. Gruppen-Mails an Unbekannte weitergeleitet haben. In einer Mail forderte er gar Geld für das „Zeckomobil“, das Auto, das er für Fahrdienste nutzte. Die Adressen, unter denen G.s Mailkontakte angeblich wohnen sollten, erwiesen sich alle als falsch. Seit November ist Ralf G. abgetaucht.

Das LKA, das G. auf die Braunschweiger Tierrechtler angesetzt haben soll, war auf Anfrage der taz am Sonntag zu keinerlei Stellungnahme bereit. Auch beim NDR äußert sich das LKA nicht zum V-Mann-Einsatz. Man ermittle gegen mehrere Straftäter wegen des Verdachts der Brandstiftung an mehreren Mastanlagen, heißt es lediglich.

Ins Visier der Sicherheitsbehörden ist die Tierschützer-Szene wegen dieser Brände auch an anderer Stelle geraten: Der Verfassungsschutz widmete ihr in seinen Jahresberichten unter Ex-Innenminister Uwe Schünemann (CDU) regelmäßig ganze Seiten. Unter „Gewalttätige Aktionen“ von Linksextremisten werden „militanten Tierrechtlern“ noch im Bericht für 2011 Anschläge auf Hähnchenmastanlagen in Peine, Hohenhameln und Sprötze zur Last gelegt. Und das, obwohl keiner der Brände eindeutig aufgeklärt und die Ermittlungen sämtlich eingestellt wurden.

Vor allem die Landtagsgrünen hatten die Beobachtung von Tierschützern zu Oppositionszeiten stets als „Diskreditierung politischen Engagements“ kritisiert. Im ersten Verfassungsschutzbericht unter Rot-Grün taucht die Szene nicht mehr auf. Und der Einsatz von V-Leuten soll – zumindest für den Verfassungsschutz – laut Koalitionsvertrag rechtlich neu geregelt werden. Ralf G. aber war bei den Tierschützern noch lange nach dem Regierungswechsel unterwegs.

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