Diskriminierung in Japan: Sexismus im weißen Kittel

Eine Medizinhochschule in Japan fälschte systematisch Tests. Damit sollte die Zahl von Ärztinnen niedrig gehalten werden.

Eine Frau trägt einen weißen Kittel und türkisfarbene Handschuhe und zieht mit einer Spritze eine Flüssigkeit aus einem Fläschchen

Die Tokyo Medical University hat Prüfungen manipuliert, damit weniger Frauen Ärztin werden Foto: Photocase/ashtproductions

Weil Japans Bevölkerung schrumpft und überaltert und die konservative Regierung zugleich an einer sehr restriktiven Einwanderungspolitik festhält, will Ministerpräsident Shinzo Abe wegen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit seit Jahren mehr Frauen in den Arbeitsmarkt bringen. Dabei sind nicht nur strukturelle Hindernisse wie die Kultur exzessiver familienfeindlicher Überstunden zu überwinden, sondern auch ein verbreiteter institutionalisierter Sexismus.

So räumte diese Woche die Tokyo Medical University ein, seit mindestens zehn Jahren die Ergebnisse ihrer Aufnahmeprüfungen systematisch manipuliert zu haben. Das Ziel: Weniger Frauen sollen den Arztberuf ergreifen. Die prestigeträchtige private Hochschule entschuldigte sich am Dienstag dafür und erklärte, die Manipulationen hätten nie stattfinden dürfen. Sie waren bei der Untersuchung eines Korruptionsfalls aufgeflogen.

Der Sohn eines Beamten des Bildungsministeriums war nach drei gescheiterten Bewerbungen plötzlich aufgenommen worden, nachdem das Ministerium der Schule die Zuschüsse erhöht hatte.

Bei der Untersuchung kam dann auch heraus, dass die Ergebnisse aller Bewerber zunächst um 20 Prozent herabgesetzt worden waren. Männer bekamen wieder einen Zuschlag von 20 Punkten, mit Ausnahme derjenigen, die schon viermal gescheitert waren. Erreichten vor der Manipulation eine Frau und ein Mann jeweils 70 von 100 Punkten, so waren es danach 56 für die Frau und 76 für den Mann.

Regeln einer modernen Gesellschaft

Zur Begründung hieß es, die Universität habe so die Versorgung mit Ärzten sicher stellen wollen. Denn Ärztinnen würden ihre Karrieren nach einer Schwangerschaft verkürzen oder unterbrechen. Das gefährde die medizinische Versorgung und erhöhe den Arbeitsdruck der männlichen Ärzte. Deshalb hätten nicht mehr als 30 Prozent der Medizinstudierenden der Hochschule weiblich sein sollen.

Der amtierende Direktor entschuldigte sich für die Manipulationen. Er habe davon nichts gewusst. Er sagte, es habe wohl an einem Verständnis für die Regeln einer modernen Gesellschaft gemangelt, „wonach Frauen aufgrund ihres Geschlechts nicht anders behandelt werden sollten“. Die Hochschule überlege, was sie jetzt für unrechtmäßig Abgelehnte tun könne. Details nannte er nicht.

Fast 50 Prozent aller Japanerinnen haben einen Hochschulabschluss. Medienberichten zufolge schneiden Japanerinnen bei Aufnahmetests mit Ausnahme von Medizin in allen Fächern einschließlich Physik und Ingenieurwissenschaften besser ab als ihre männlichen Mitbewerber. Medizinerinnen hatten schon länger den Verdacht geäußert, dass hier vielleicht manipuliert wurde. Doch wurde eine Untersuchung verweigert. Jetzt sollen auch andere Hochschulen untersucht werden. Der Anteil von Ärztinnen ist in Japan nur halb so hoch wie im OECD-Schnitt.

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