Digitale Straßenzeitungen: QR-Code scannen statt Münzen suchen

Straßenzeitungen stecken in der Krise. Zwei Projekte in Deutschland und Österreich versuchen sich an ihrem digitalen Wandel. Kann das funktionieren?

Ein Verkäufer einer Straßenzeitung in einer Fussgängerzone

Ein „Hinz&Kunzt“-Verkäufer in Hamburg Foto: Stephan Wallocha/epd/imago

Es steht nicht gut um die Straßenzeitungen in Deutschland. In der Vorweihnachtszeit haben sie zwar Hochsaison, doch das kann die Einbußen der letzten Jahre auch nicht ausgleichen. „Alle deutschsprachigen Straßenzeitungen mussten ihre Auflagen runterfahren“, sagt Jörn Sturm, Geschäftsführer von Hinz&Kunzt aus Hamburg, dem größten Straßenmagazin in Deutschland.

Immer weniger Menschen wollen gedruckte Zeitungen lesen. Die Pandemie hat den Verkauf zusätzlich erschwert. Nun kommen explodierende Papierpreise hinzu. „Einige Zeitungen stecken in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten“, sagt Sturm.

So dramatisch ist es bei Hinz&Kunzt zwar noch nicht, aber es brauche dringend langfristige Lösungen. „Wir verlieren eine ganze Generation an jungen Lesenden, die bargeldlos unterwegs sind.“ Um die zu erreichen, müsse eine digitale Ausgabe her – mit virtueller Bezahlmöglichkeit.

Die Redaktionen von anderen Straßenzeitungen sehen das ähnlich. Schon länger diskutieren sie im gemeinsamen Arbeitskreis Digitalisierung, wie die digitale Transformation funktionieren kann. Einfach ist das nicht.

„Eine Straßenzeitung ist kein Printmedium wie jedes andere“, sagt Sturm. Sie biete Menschen, die das dringend brauchen, eine unbürokratische Verdienstmöglichkeit. Sie kaufen Zeitungen ein und verkaufen sie auf der Straße wieder, meist für das Doppelte. Auch eine digitale Ausgabe dürfe also nur auf der Straße erhältlich sein.

Bargeldlos zahlen

Immerhin: In Wien ist es seit Oktober möglich, die Straßenzeitung Augustin mit dem Smartphone zu bezahlen. Die Ver­käu­fe­r*in­nen haben dafür einen QR-Code dabei, den man mit dem Smartphone scannen kann. Im Januar soll die digitale Ausgabe folgen.

„Viele, die erst skeptisch waren, sind mittlerweile überzeugt“, sagt Claudia Poppe vom Augustin. Die meisten von ihnen haben kein Konto und auch kein Handy. Ihr Geld können sie deshalb täglich bei der Zeitung abholen. Durch die digitalisierte Bezahlung müssen Ver­käu­fe­r*in­nen nicht mehr in Vorleistung gehen. „Außerdem kann jetzt auch mit Leuten ein Geschäft zustande kommen, die sagen: Sorry, kein Bargeld dabei.“

Es gibt aber auch Nachteile. Die Hürde, digital Trinkgeld zu geben sei höher, sagt Poppe. Außerdem sind Spenden einsehbar, was für manche Ver­käu­fe­r*in­nen problematisch sei.

Erstes Online-Straßenmagazin

In Deutschland hat sich zeitgleich die mit einer Berliner Werbeagentur verknüpfte Stiftung Dojo Cares der schwächelnden Straßenzeitungen angenommen. Mit dem ausschließlich online erscheinenden Stread will sie Straßenzeitungen für eine junge, hippe Zielgruppe interessant machen und den Magazinen gratis digitale Infrastruktur zur Verfügung stellen.

Bei Stread wird „Lifestyle-Content mit dem Straßenmagazin der jeweiligen Stadt kombiniert“, sagt Marija Stojanovic, eine der Ge­schäfts­füh­re­r*in­nen von Dojo Cares. Der Kauf funktio­niert wie beim Augustin über einen QR-Code. Seit November gibt es Stread auf der Straße zu kaufen, in Osnabrück, Berlin, Leipzig, Münster und Frankfurt. „Andere Zeitungen brauchen noch Zeit für die Umstellung und werden folgen“ sagt Stojanovic.

Einige machen aber auch bewusst nicht mit, Hinz&Kunzt zum Beispiel. „Für uns passt es nicht, wie unsere Inhalte da präsentiert werden“, erklärt Jörn Sturm. Fifty-Fifty aus Düsseldorf sind auch nicht dabei. Deren Geschäftsführer Hubert Ostendorf hält von Stread wenig. „Ich bin für Digitalisierung, aber glaube, es ist noch zu früh“ sagt er. „Stread wird scheitern.“

„Im Worst Case – niemand interessiert sich für Stread – wird die digitale Plattform für die Magazine trotzdem bestehen bleiben“, sagt Stojanovic. Verkaufszahlen kann sie gegenüber der taz noch nicht nennen.

In Wien dagegen gibt es schon erste Zahlen. Über 700 Ausgaben wurden digital bezahlt. „Es läuft viel besser als erwartet“, sagt Poppe. Die Anwendung vom Augustin könnten andere Zeitungen einfach übernehmen.

Im Januar wird der AK Digitalisierung wieder tagen. Jörn Sturm von Hinz&Kunzt ist gespannt, wie es mit Stread und dem Augustin weitergeht. Aber er sagt auch: „Digitalisierung wird vielleicht helfen, aber zu Auflagen wie früher kommen wir nicht mehr.“

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