Die Wahrheit: Zwei Füße mitten im Gesicht

Boxen, was das Zeug hält: Was haben eine "Gesundheitsfarm für nervöse, müde Menschen" und ein Ringkampf im Jahre 1940 bloß miteinander zu tun?

Vor ziemlich genau 83 Jahren, im Frühsommer 1940, fand ein bemerkenswerter Ringkampf in der Sports Arena von Lynn im US-Bundesstaat Massachusetts statt. Die beiden Kämpfer Danno O’Mahony aus dem irischen Cork und der irisch-stämmige Dr. John Murphy hatten ihre besten Zeiten eigentlich bereits hinter sich, aber die Halle war dennoch ausverkauft.

Dafür hatte die Werbung gesorgt, die den Kampf „des rotwangigen Sohns der Grünen Insel und Zar der Riesentiere gegen einen der schnellfüßigsten Arbeiter im Ring“ als Revanche zweier Ex-Weltmeister anpries. Der Kampf hielt, was er versprach.

O’Mahony war als „irische Peitsche“ berüchtigt, während Murphy den Spitznamen „Dropkick“ trug. Ein Dropkick ist ein Angriffsmanöver, bei dem ein Kämpfer hochspringt und den Gegner mit den Sohlen beider Füße tritt. Es gibt ein beeindruckendes Foto von Dr. Murphy, auf dem er waagerecht in der Luft schwebt, beide Füße im Gesicht seines Gegners Jim Maloney geparkt. Murphy war Osteopath und hat seine Klienten offenbar im Ring akquiriert.

Den Kampf in Lynn gewann aber die Peitsche. „Danno ist nicht mehr der gutmütige Kelte“, hieß es dazu in einem Zeitungsbericht. „Es gab jede Menge Haare ziehen, Würgen und sonst was, so dass sich der Schiedsrichter als menschliches Stemmeisen dazwischenwerfen musste.“ O’Mahony wurde bei seiner Rückkehr nach Irland frenetisch gefeiert, kam aber ein paar Jahre später bei einem Autounfall in der Grafschaft Laois ums Leben.

Der gusseiserne Zehenmann

Dropkick hatte mehr Glück, wie man in der soeben erschienenen Biografie von Emily Sweeney nachlesen kann. Er hatte mit dem Ringkampf angefangen, um sein Studium zu finanzieren, machte aber nach dem Examen weiter, weil er Spaß dran hatte, seine Gegner ins Gesicht zu treten, was ihm den Ruf als „Mann mit den gusseisernen Zehen“ einbrachte. Direkt nach dem Kampf gegen O’Mahony kaufte er ein Grundstück in Massachusetts und eröffnete eine „Gesundheitsfarm für nervöse, müde Menschen“, die in Wirklichkeit eine Klinik zur Trockenlegung von Alkoholikern war.

Zu den Klienten gehörte ein hochrangiger US-Politiker, der im Urlaub in Dublin Golf gespielt und sich so sehr an die Besäufnisse danach gewöhnt hatte, dass sein Referent besorgt im Parteibüro in Boston anrief. „Sofort nach Hause schaffen“, lautete die Anweisung. Der volltrunkene Politiker wurde in die USA geschafft und in Dropkick Murphys Klinik verfrachtet. Als er am nächsten Tag zu sich kam, glaubte er, dass er noch in Dublin sei und erkundigte sich nach dem nächsten Golfpartner.

Es gibt eine Folk-Punk-Band aus Boston, die sich nach dem Doktor nennt: Die Dropkick Murphys hatten einen Hit mit dem Lied „I’m Shipping Up To Boston“, das man jetzt im April spielte, als Joe Biden in Ballina in der irischen Grafschaft Mayo die Bühne betrat. Der fragile US-Präsident schien „sofort um Jahre verjüngt“, wie Dave Hannigan in der Irish Times lästerte.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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