Der sonntaz-Streit: „Freierbestrafung ist scheinheilig“
Strafen für Freier fordert die „Emma“-Kampagne gegen Prostitution. Gregor Gysi hält das für kontraproduktiv. Auch Prostituierte protestieren.
Gregor Gysi ist dagegen, Freier zu bestrafen. Es sei kontraproduktiv, legale Prostitution mit Strafen zu belegen, „weil dann Prostituierte wegen Beihilfe bestraft werden müssten“, schreibt der Fraktionsführer der Linkspartei im sonntaz-Streit. Menschenhandel und Zwangsprostitution müssten aber verschärft strafrechtlich verfolgt werden.
Gysi spricht sich damit gegen den Vorschlag der Zeitschrift Emma aus, Prostitution in Deutschland abzuschaffen. In einer gemeinsamen Unterschriftenliste hatten 90 Prominente außerdem gefordert, Freier mit Geldbußen zu bestrafen. Die Unterzeichner, unter ihnen die Schauspielerin Maria Furtwängler und der ehemalige CDU-Politiker Heiner Geißler, regen damit an, die Legalisierung der Prostitution unter SPD und Grünen vor gut zehn Jahren zurückzunehmen.
Die rot-grüne Reform hatte sich zum Ziel gesetzt, Prostitution zu legalisieren und die Situation der Prostituierten zu verbessern. Am Ende bewirkte sie laut ihren Kritikern das Gegenteil: Die Polizei kann heute keine Razzien in Bordellen mehr durchführen, für Prostitution wird offen geworben. Eine Studie der EU-Kommission zeigt: Der Menschenhandel hat seit der Gesetzesänderung zugenommen.
Tebartz-van Elst, Brüderle, Guttenberg. Darüber regen wir uns auf. Aber warum? Und was bringt das? Den großen Empörungsvergleich lesen Sie in der taz.am wochenende vom 9./10. November 2013 . Darin außerdem: Christian Ströbele ist nun weltbekannt als „der Mann, der Edward Snowden traf“. Aber wie hilft das der Sache des Whistleblowers? Und ein Gespräch über den Glanz im Schund, echte Adelige und Sexwestern: Mit Anna Basener, einer der jüngsten Groschenromanautorinnen Deutschlands. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Die österreichische Journalistin Anneliese Rohrer plädiert deshalb für ein Verbot der Prostitution. „Prostitution ist eine Sache der Nachfrage“, sagt sie. Rohrer fordert „drakonische Strafen“ für Freier und eine „intensive Aufklärungskampagne für männliche Teenager“. So könne der Markt für Prostitution verkleinert werden, sagt Rohrer, die eine Dokumentation über Menschenhandel und Prostitution produziert hat.
In Schweden drohen Freiern seit 2002 Geldbußen und Hafstrafen, die Prostituierten selbst aber werden nicht illegalisiert. In Frankreich wird derzeit über ein ähnliches Gesetzesvorhaben debattiert.
Hilfe, nach der niemand gefragt hat
Fragt man die Prostitutierten selbst, zeigt sich im sonntaz-Streit jedoch: Viele wehren sich dagegen, dass ihr Berufsstand verboten werden soll. Freier zu bestrafen sei eine scheinheilige Methode, um die Prostitution generell abzuschaffen, schreibt Johanna Weber vom Berufsverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen. „Dass wir dabei aber unsere Arbeitsplätze und unsere Existenzgrundlage verlieren, scheint niemanden zu interessieren.“ Die „Emma“-Kampagne bezeichnet sie als Hilfe, nach der niemand gefragt habe.
Auch Manuel Izdebski, Vorstand der deutschen Aids-Hilfe, kritisiert den „Emma“-Appell. Kriminalisiere man die Prostitution, verschiebe sie sich nur in „eine dunkle Ecke“. Er sagt: „Aus unserer Präventionsarbeit wissen wir, was wirklich hilfreich wäre: die rechtlichen Bedingungen zu verbessern, unter denen Sexarbeit stattfindet.“
Die Streitfrage in der aktuellen sonntaz vom 9./10.November beantworteten außerdem die Schrifstellerin Sibylle Berg, der CSU-Bundestagesabgeordnete Hans-Peter Uhl, der Schauspieler Hannes Jaenicke, die französische Abgeordnete Maud Olivier, die schwedische Journalistin Kajsa Ekis Ekman und der Leser Moritz Müller.
Leser*innenkommentare
Icke
Gast
hat sich eigentlich schon mal jemand gefragt, warum das auch "das älteste gewerbe der welt" genannt wird? prostitution wird es immer geben. es gab sie in der sozialistischen ddr, im afghanistan der taliban und gibt sie im iran der mullahs. legalisierte prostitution ist wenigstens im hinblick auf die angesprochenen probleme halbwegs kontrollierbar, im dunkel der illegalität kaum.
guido-nrw
Kann jemand mal begründen, wie ein solches Verbot mit den Grundrechten in Einklang gebracht werden soll? Und wie es vollzogen werden soll? Das ist doch absurd. "Sie haben der Frau/ dem Mann Geld gegeben! - Nein hab ich nicht - Sie haben aber das Essen oder die Getränke oder die Handtasche... bezahlt - " und so weiter. Das kann man nicht umsetzen. Nicht in einem Rechtsstaat. Die verbrecherischen Sachen sind schon verboten - da fehlt mehr Polizei zum Kampf gegen die Straftäter/innen. Dieses dumme Verbote-Schreien - nicht mal über Verfassungsmäßigkeit oder Umsetzung nachgedacht- scheinbar. Die Polizei wäre auch die "Doofe", die sich dann beim Vollzugs-Versuch lächerlich machen müßte - aber die haben wichtigeres zu tun.---PS Das erinnert an Loriot - da wird eine alte Frau gegen ihren Willen über die Straße gebracht - weil der Polizist das für richtig hält. Solange sich Boxer die Birne blöd hauen dürfen usw, müssen wir auch mit Sex gegen Geld leben - ist oft vielleicht auch ehrlicher - Stichwort "Ehe und/als Prostitution" - das ist uferlos.---Alter Grundsatz: Betroffene einbeziehen und , sofern volljährig und mit freiem Willen - selbst eintscheiden lassen.
Rainer B.
@guido-nrw Das kann man überhaupt nicht begründen und auch nicht durchsetzen. Die Leute, die sowas fordern, haben entweder zuviele Filme gesehen, oder selber drin mitgespielt. Deren Realität wird seit Jahren künstlich bewässert, die Wurzeln haben den Boden aber trotzdem nie erreicht.
Viccy
Im Ergebnis bin ich bei Dir, aber: Drogen (z.B. Cannabis) können auch verboten werden und da ist letzten Endes sogar nur der einzelne Konsument ganz individuell betroffen (und kein 2-er-Verhältnis gegeben wie bei Hure/Freier). Soll heißen: Den Einklang mit Grundrechten bekommt man noch irgendwie hin.
Und was die Beweisbarkeit angeht: Zunähst einmal würden diverse Werbe-Protale aus dem Netz verschwinden müssen, auf denen sich Huren - gegenwärtig - samt Fotos (ggf. mit Photoshop geschönt) und Servicepalette (ggf. so wahr wie Waschmittelwerbung im TV) präsentieren können.
Das Verbot würde schon was machen.
kopfschüttelnder
Gast
"die Schrifstellerin Sibylle Berg, der CSU-Bundestagesabgeordnete Hans-Peter Uhl, der Schauspieler Hannes Jaenicke, die französische Abgeordnete Maud Olivier, die schwedische Journalistin Kajsa Ekis Ekman und der Leser Moritz Müller"
wow, was für ein expertengremium von besserwissern, die niemand gefragt hat
journalisten, schauspieler, politiker - ganz großes kino
können diese wichtigtuer ihre profilneurosen oder hilflosen versuche der marktwerterhöhung nicht woanders wahrnehmen
willkommen im mittelalter
und nun fröhliches zensieren...
bouleazero
„Prostitution ist eine Sache der Nachfrage“ - Selbstverständlich!
Jedes Produkt, jede Dienstleistung ist eine Sache von Angebot und Nachfrage. Nur illegale Dinge dürfen nicht angeboten oder nachgefragt werden. Prostitution ist aber nicht illegal. Und das ist auch gut so! Ein Mann (oder eine Frau), der (oder die) Lust hat, mit einer anderen Person gegen Bezahlung sexuelle Befriedidgung zu bekommen, tut nichts schlechtes. Er/sie zahlt dafür, weil er/sie im Moment keinen Partner dafür hat. Was soll daran böse sein?
Zuhälterei und Kriminalität ist was anderes und dagegen gibt es Gesetze. Sex ist gut und (fast) jeder tut es. Und wer ihn sich kaufen will, der soll es bitte tun dürfen!!
Fassungslosigkeit
Gast
Selbst wenn man Prostitution ablehnt:
Die EMMA und Alice Schwarzer sind doch wohl die letzten, welche den Leuten irgendwelche Moralpredigten halten müssen.
Warum?
1. Bitte lesen:
http://www.emma.de/artikel/paradies-liebe-wenn-frauen-maenner-bezahlen-266200
Hier aus ein Zitat:
„Es ist eben nicht umkehrbar. Wenn Männer Frauen kaufen, wollen sie Macht – wenn Frauen Männer bezahlen, suchen sie Liebe.“
Alleine schon hier erkennt man, welch widerwertiges und sexistische Männerbild manche Feministen haben!
Soviel Doppelmoral macht echt sprachlos!
Man stelle sich mal vor, auf der Homepage eines Männermagazins würde jemand schreiben, dass auch manche männlichen Freier nur deswegen eine Prostituierte besuchen, weil sie sich nach Liebe und Zärtlichkeit sehen!!!!
2.
Lesen und Kopf schütteln!
http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/feminismus-alice-schwarzer-verteidigt-sm-roman-shades-of-grey/6877782.html
Man lese sich mal die Buchbeschreibung durch!
Der männliche Protagonist nutzt die (offensichtliche) psychische Abhängigkeit einer jungen Frau, um diese zu Sexspielen zu überreden…. Und sich dann an irgendwelchen Sado-Spielchen aufzugeilen.
Wer mal ein paar Beispiele lesen will:
"Er legt seine Handfläche auf mein nacktes Hinterteil, tätschelt und streichelt es zärtlich. Dann ist seine Hand plötzlich verschwunden … und er schlägt zu. Und wie! Au! Meine Augen quellen beinahe aus den Höhlen vor Schmerz.""
http://lesekreis.org/2012/05/23/fifty-shades-of-grey-geheimes-verlangen-in-millionenauflage/
Oder hier:
http://verbalkanone.blog.de/2012/09/02/sechs-schaerfsten-stellen-shades-of-grey-ii-14656469/
Fazit:
Das Wort „Fassungslosigkeit“ sagt alles aus.
Wenn Alice und Co so weiter machen, wird die Frauenbewegung in spätestens 20 Jahren zu einem Satire-Verein verkommen sein.
Anna Krone
Gast
@Fassungslosigkeit In 20 Jahren erst? Das ist der Feminismus doch schon längst. Wer nimmt den noch ernst und besonders seine selbsternannte Vertretung?
Fassungslosigkeit - Ergänzung
Gast
Ergänzung:
Zitat von der EMMA:
www.emma.de/artikel/paradies-liebe-wenn-frauen-maenner-bezahlen-266200
Hier aus ein Zitat:
„Es ist eben nicht umkehrbar. Wenn Männer Frauen kaufen, wollen sie Macht – wenn Frauen Männer bezahlen, suchen sie Liebe.“
Gegenbeispiel:
www.lovetalk.de/singles-und-ihre-sorgen/140284-jungfrau-27-maennlich-sucht.html
Man lese den ersten Kommentar!
Irgendwie klingt Das ja nicht gerade nach einem Machtbesessenen Chauviniten....
Ich habe noch nie Sex mit einer Prostituieren.
Und ich werde es wohl auch in Zukunft nicht tun.
Allerdings werde ich NICHT WEGEN den Feministen darauf verzichten
-
Sondern TROTZ den Feministen.
guido-nrw
@Fassungslosigkeit - Ergänzung Gutes Beispiel - das würde heißen, alle Männer sind gleich und alle Frauen auch. Wieso wird seit Jahren über "gender" geredet, wenn die Welt jetzt wieder in gut und böse, Männer und Frauen zerfällt? Da ist einigen wohl die Wirklichkeit zu kompliziert und zu bunt - wir haben ja noch die Trans und Schwulen und Lesben vergessen - wie ist es den da? - ach ja, auch Bi gibt es....ja, die Welt ist doch viel vielfältiger, als sie mit dieser spalterischen Einfalt und zwanghaftem Gut-Böse Schema gemacht werden soll. Was ist denn, wenn eine Lesbe Sex mit einer Frau "kauft" - wer sucht dann was und wie wird die bestraft? Intellektuell Heilige Einfalt. Politisch gefährlich. Sie könnten falsche Verbündete bekommen - Meissner, Evangelikale und Salafisten. Was soll der Scheiss??
karl
Gast
Ich bin kein Puffgänger, mich hat das nie angemacht.
Dennoch bin ich angewidert davon wie Männern das Leben in dieser Gesellschaft immer mehr zur Hölle gemacht werden soll, sie immer weiter kriminalisiert und an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden sollen.
Es wird Zeit diesem prüden und totalitären Kult namens Feminismus Einhalt zu gebieten.
2013 markiert das Jahr des Beginns einer Umkehr. Da bin ich sicher.
lichtgestalt
Hoffentlich sind nicht die kleinen Gehälter, die MitarbeiterInnen der taz bekommen, dafür verantwortlich, dass in dieser Zeitung so eine wohlwollende Einstellung zur Prostitution erkennbar wird...
!?!!!?????!!!!!? ^^
Gast
Was ist eure Meinung?
http://www.ndr.de/regional/hamburg/kirchentag/wersglaubt/sexarbeiterin109.html
http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=217
Ist Das nur gestellt? Sind die Kommentare im 2. Link nur Fakes?
Oder ist die Welt doch nicht schwarz-weiß?
Dass es Zwangs-Prostituierte gibt, welche zum Verkehr gezwungen werden, steht außer Frage!
Ebenso, dass es Frauen gibt, welche diesen Beruf zwar freiwillig; Aber trotzdem aus der Not heraus machen.
Aber was ist mit den oben genannten Links?
Letztendlich ist außschließlich die Meinung der betroffenen Frauen entscheidend.
Doch ein Gast
Alice hat ja ein tolles Timing, so am Beginn von Muttis neuer Regentschaft, da werden jetzt ganze Sauschaaren durchs Dorf gehetzt, gibt ja auch grade nchts wichtigeres ...
Viccy
@Doch ein Gast Tja, für die EMMA gibt es anscheinend tatsächlich nichts Wichtigeres.
Rainer B.
Wenn Prominente etwas fordern, ist es meist gut gemeint, geht aber meist komplett am Thema vorbei. So auch hier.
Mit dem Prostitutionsgesetz wurde Ausbeutung, Zuhälterei und Menschenhandel keineswegs legalisiert, wie oft behauptet. Selbstverständlich können und müssen diese Straftaten auch konsequent verfolgt werden und dazu können auch nach wie vor Razzien durchgeführt werden. Von Menschenhandel, Ausbeutung und Lohndumping sind heute zahlreiche Berufssparten betroffen. Niemand hat aber bislang ein Schlachterverbot, ein Eisenbiegerverbot, oder ein Landwirtschaftshelferverbot gefordert. Nur mit Prostituierten kann man offenbar hier jeden Schwachsinn machen, wenn es nur der Ablenkung dient!?
Karl Ranseier
Leider bringen Verbote nie etwas.
(Wie mensch unter anderem an der Drogenpolitik sieht.)
Legalisieren, aufklären, bilden.
"Dummheit kann man nicht verbieten.
Und doch kann man etwas dagegen tun.
Was gegen Dummheit hilft ist Bildung,
gegen Verbote sind die Dummen oft Imun"
(slime)
Und damit sind nicht die Sexarbeiterinnen gemeint ...
Viccy
@Karl Ranseier Zu Aufklärung und Bildung würde auch gehören, sich vom Bild des stets dummen Freiers freizumachen ;-)
Tim Leuther
Das Hannes Jaenicke da unterschreibt ist einfach nur noch krank. Der brachte es fertig in Indonesien einen Film über Schimpansen zu drehen die da in Sodomieklubs gehalten werden. Während ein paar hundert Meter weiter Kinder ähnliches machen müssen.
lichtgestalt
Zu schreiben: "Das Hannes Jaenicke da unterschreibt ist einfach nur noch krank.", ist einfach nur ungehörig.
Es gibt sicherlich noch viele Ungeheuerlichkeiten, gegen die Herr Jaenicke noch nicht eingeschritten ist. Kann ihm nicht irgend ein Tim beim "Welt retten" helfen.