Debatte um neue Wehrpflicht: Wehrdienst wie in Schweden?

Verteidigungsminister Pistorius denkt über eine neue Wehrpflicht für Männer und Frauen nach. Doch er muss mit hohen rechtlichen Hürden rechnen.

Eine Bundeswehrsoldatin mit blondem Haarzopf

Eine Soldatin der Bundeswehr beim Feldjägertag in der Hauptfeldwebel-Lagenstein-Kaserne in Hannover, 14.06.2022 Foto: Droese/localpic/imago

FREIBURG taz | Die von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in die Diskussion gebrachte Wehrpflicht nach schwedischem Muster würde gleich doppelt gegen das Grundgesetz verstoßen. Zum einen wäre die Wehrgerechtigkeit nicht gewahrt. Zum anderen soll sie auch Frauen erfassen. Die Einführung wäre also nur nach einer doppelten Grundgesetzänderung möglich.

Im Interview mit der Welt am Sonntag sagte Pistorius, die Aussetzung der Wehrpflicht 2011 sei ein Fehler gewesen. Sie nun in alter Form wiedereinzuführen, sei aber schwierig, weshalb er sich auch andere Modelle, etwa das schwedische, anschaue. „Dort werden alle jungen Frauen und Männer gemustert und nur ein ausgewählter Teil von ihnen leistet am Ende den Grundwehrdienst.“

Nach Darstellung des Wissenschaftlichen Diensts des Bundestags sieht das 2017 eingeführte schwedische Modell so aus: Im Geburtsjahrgang 2000 gab es 93.000 Männer und Frauen. Alle mussten einen webbasierten Fragebogen zu Motivation, Fähigkeiten und Interessen ausfüllen. Auf dieser Grundlage wurden 11.000 Personen zur Musterung geladen, wo sie insbesondere körperlich untersucht wurden.

Für 2019 wurden am Ende 4.000 Re­kru­t:in­nen zum Dienst verpflichtet, wobei in der Regel nur Männer und Frauen eingezogen wurden, die auch Interesse geäußert hatten. Der Dienst dauert 12 Monate und wurde damals mit umgerechnet 14 Euro pro Tag vergütet (plus Verpflegung und Unterkunft). In Deutschland werden im Jahr rund 750.000 Kinder geboren. Die Zahlen lägen also etwa achtmal so hoch wie in Schweden.

Probleme mit der Wehrgerechtigkeit

Da es um eine Wehrpflicht geht, müssen nach dem schwedischen Modell auch dann Re­kru­t:in­nen eingezogen werden, wenn sich nicht genügend geeignete junge Männer und Frauen interessieren. Es geht also nicht nur um eine Musterungspflicht, wie manche in Deutschland das Modell derzeit missverstehen.

Die Einführung des schwedischen Modells in Deutschland könnte, wenn es tatsächlich zu Zwangseinberufungen kommt, zu Problemen mit der Wehrgerechtigkeit führen. Danach müssen „möglichst alle verfügbaren Wehrpflichtigen“ auch zum Wehrdienst herangezogen werden, so das Bundesverwaltungsgericht in einem Grundsatzurteil von 2005.

Der Gesetzgeber könne allerdings im Wehrpflichtgesetz die Tauglichkeitsanforderungen hochsetzen oder Wehrdienstausnahmen ausweiten – etwa für Verheiratete. Das schwedische Modell, bei dem nur ein kleiner Teil der Männer und Frauen am Ende Dienst leisten muss, wäre mit deutschen verfassungsrechtlichen Vorgaben aber kaum vereinbar.

Das Gleiche gilt für einen zweiten wichtigen Aspekt: In Schweden gilt die Wehrpflicht nämlich für Männer und Frauen, während sie im deutschen Grundgesetz nur für Männer vorgesehen ist. Für Frauen könnte die Wehrpflicht deshalb nicht einfach per Gesetz eingeführt werden, denn laut Grundgesetz ist Zwangsarbeit grundsätzlich verboten. Auch hier wäre schließlich eine Grundgesetzänderung mit Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat erforderlich.

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