Cannabis-Freigabe: Legalisierung bleibt Wundertüte

Ab April soll Cannabis entkriminalisiert werden, ab Juli in Social Clubs verkauft werden dürfen. Berliner Betreiber dämpfen die Erwartungen.

Ein Clubbesucher raucht am 27.12.2014 im "4:20 Smokers Club" in Barcelona (Spanien) während einer Schachpartie eine Marihuana-Zigarette.

Kaufen ja, kiffen nein: Die Regelungen für Social Clubs sind verworren Foto: Hannes P Albert/dpa

BERLIN taz | Die Legalisierung von Cannabis, sie soll nun tatsächlich kommen. Und im Keller des Hanf Museums im Nikolaiviertel in Mitte steht in einer Ecke ja auch bereits eine riesige Hanfpflanze, die wunderbare Blüten trägt. Erst bei genauerer Betrachtung stellt man fest: Ach, die ist ja nur aus Plastik.

Ab 1. April soll es erlaubt sein, auch als Privatperson gleich drei solcher Pflanzen sogar in echt zu besitzen. Cannabis wird dann im Betäubungsmittelgesetz nicht mehr als verbotene Substanz geführt. Auch der Handel und der Anbau werden damit legal.

Ab dem 1. Juli darf man dann zum Eigenbedarf monatlich bis zu 50 Gramm Cannabis erwerben, zumindest wenn man über 18 Jahre alt ist. Möglich sein soll das durch sogenannte Cannabis Social Clubs. Das sind Vereine, die bis zu 500 Mitglieder haben und ausschließlich an diese ihre Hanfprodukte abgeben dürfen.

So zumindest sieht es der Gesetzentwurf vor, der in der nächsten Woche vom Bundestag verabschiedet werden soll. Ende März muss dann noch der Bundesrat sein Okay geben, was voraussichtlich auch passieren wird.

Kein Paradigmenwechsel

Steffen Geyer, einer der Direktoren des Hanf Museums in Mitte, Mitorganisator der Hanfparade und seit Jahren einer der bundesweit bekanntesten Köpfe im Kampf für die Legalisierung, glaubt fest daran, dass das alles auch tatsächlich klappt. Seine Kontaktleute in der Politik hätten ihm das so signalisiert, sagt er bei einem Treffen im Hanf Museum, die Mehrheiten seien da.

Geyer sitzt mit einer kleinen Runde von Mitstreitern auf einem Sofa im Keller des Museums. Der Redebedarf ist groß. Endlich kommt die lang ersehnte Legalisierung, aber wirklich glücklich wirkt keiner der Anwesenden. „So richtig zufrieden mit dem geplanten Gesetz ist von rechts bis links ja niemand“, sagt Oliver Waack-Jürgensen, Vorstand des Dachverbands deutscher Cannabis Social Clubs und Vorsitzender des Berliner Cannabis-Clubs HighGround.

Oliver Waack-Jürgensen, Vorstand des Dachverbands deutscher Cannabis Social Clubs

„So richtig zufrieden mit dem geplanten Gesetz ist von rechts bis links ja niemand“

Er will nicht einmal von einer Legalisierung reden, sondern bloß von einer Entkriminalisierung. Was nun kommen soll, sei „kein Paradigmenwechsel, sondern der geringstmögliche Schritt nach vorne“. Was er jedoch klar begrüßt, ist, dass damit 180.000 Strafverfahren im Jahr im Zusammenhang mit Cannabis wegfallen werden.

Überregulierung in allen nur erdenklichen Bereichen

Doch wie genau wird es laufen mit den Cannabis Social Clubs, den künftigen Abgabestellen für Marihuana? Glaubt man der Runde im Keller des Hanf Museums, könnte es kompliziert und anstrengend werden. Geyer meint, dass es in den nächsten ein, zwei Jahren viele gerichtliche Auseinandersetzungen geben wird, bis alle Details geklärt sind.

„Was nun kommt, bedeutet, in einem Minenfeld aus bisher unbekannten Kontrollinstanzen zu arbeiten. Und dabei gleichzeitig den Ansprüchen der Vereinsmitglieder gerecht zu werden“, so Waack-Jürgensen.

Eigentlich hätte die Runde es gerne so, wie es schon lange in Spanien und vorneweg in Barcelona mit seinen Cannabis Social Clubs läuft. In denen dürfen die Mitglieder auch konsumieren, das wird in Deutschland verboten sein. Fast überall wird man demnächst kiffen dürfen, nur im Cannabis Club selbst nicht. Waack-Jürgensen findet das absurd. Einige Clubs würden einfach extra Genussräume einrichten, glaubt er, dann werde man schon sehen, wie der Gesetzgeber darauf reagiert.

Hauptkritikpunkt der Cannabis-Aktivisten ist eine befürchtete Überregulierung in allen nur erdenklichen Bereichen. Wer in den Clubs was und wie viel erwirbt: Alles muss dokumentiert werden. Geyer sieht das kritisch: „Das S bei einem CSC steht eigentlich nicht für Stasi, sondern für Sozial. Stattdessen müssen wir aber unsere Mitglieder ausspionieren. Wir müssen gigantische Datenmengen ansammeln, bei denen überhaupt nicht klar ist, wer darauf Zugriff hat.“

Viele Fragen sind noch offen

Ein etwas anders gelagertes Problem hat Dinah Rogge. Sie ist Beauftragte für Suchtprävention beim Cannabis Social Club Berlin. Jeder Verein muss in Zukunft so jemanden haben. Doch was genau ihre Aufgabe ist, sei überhaupt nicht klar, sagt sie.

So dürfe sie nur innerhalb ihrer Clubgemeinschaft über die Gefahren beim Konsum von Cannabis aufklären, alles andere könnte bereits als unerlaubte Werbung betrachtet werden. Doch kann in Clubs, die nicht mehr sein werden als Abholstellen für Kiffer, überhaupt wirksam präventiv gearbeitet werden?

Aktuell gibt es bundesweit um die 400 Cannabis Clubs, die derzeit noch als „Legalisierungsvereine“ firmieren, rund 20 davon in der Hauptstadt. In Barcelona sind es um die 200, da dürfte also noch eine Gründungswelle auf Berlin zukommen. Steffen Geyer glaubt, dass es schon im nächsten Jahr in ganz Deutschland um die 4.000 Clubs geben wird.

Der Bedarf ist groß, Waack-Jürgensen hat für seinen Club bei etwas über 100 Mitgliedern mittlerweile einen Aufnahmestopp verfügt. Der Vorsitzende des Cannabis Social Club Berlin, Torsten Dietrich, hofft, bei sich in Zukunft gut bezahlte Jobs verteilen zu können. Auch will er gleich mehrere Anbaugemeinschaften gründen.

Verzögerung wegen fehlender Planungssicherheit?

Auch wenn die Abgabe von Cannabis voraussichtlich ab dem 1. Juli erlaubt sein wird, Steffen Geyer glaubt, dass es wegen der fehlenden Planungssicherheit vor Herbst nichts wird mit dem legalen Erwerb von Dope. Mit etwas Pech könnte es sich sogar noch bis Weihnachten hinziehen, sagt er.

Kommerzielle Clubs, die in Berlin bereits offensiv um Mitglieder werben, würden bis auf weiteres eher Geld verbrennen. „Ein Cannabis Club funktioniert nicht als Geschäftsmodell. Wir dürfen ja nur über die Mitgliedsbeiträge abrechnen“, sagt Geyer. Dienstleistungen oder Konsumangebote dürfen sie nicht anbieten. Zwar gebe es durchaus Möglichkeiten, hier zu tricksen und hohe Ausgaben vorzutäuschen, aber da müssten auch die Mitglieder mitspielen. „Und die werden sich überlegen, ob sie am Ende 20 Euro oder bloß 4 Euro für das Gramm Cannabis zahlen wollen.“

Worin sich alle einig sind: Geeignete Abgabestellen zu finden sei schwieriger als Anbauflächen. Für die hat Steffen Geyer schon eine Idee: „Ein Zehntel der in Berlin leer stehenden Büroflächen reicht aus, um ganz Deutschland mit Cannabis zu versorgen.“

Die Zukunft, die hier im Keller gemalt wird, klingt am Ende trotz aller Einwände für Kiffer so schlecht nicht: In einer Stadt wie Berlin werde es eine große Konkurrenz mit unterschiedlichen Standards geben, glaubt Geyer. „Es wird die nicht so guten CSCs geben, die werden nicht viel mehr als Volksgras oder Studentenweed verkaufen. Wir sprechen auch von der Kreuzberger Hecke. Manche werden eine Spezialmaniküre für die Blüten anbieten. Oder strikt bio arbeiten und nur ernten, wenn der Halbmond scheint oder so.“ Und für all das werde es Bedarf genug geben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.