Bebauung am Berliner Molkenmarkt: Affront mit Ansage

Die Jury trifft keine Entscheidung. Blockiert Senatsbaudirektorin Kahlfeldt eine nachhaltige Lösung für das größte Stadtentwicklungsprojekt Berlins?

Senatsbaudirektorin Kahlfeldt im Porträt

Polarisiert: Berlins Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt Foto: dpa

Soll man es eine Überraschung nennen? Oder gleich als einen Affront bezeichnen? Am Molkenmarkt, Berlins größtem Stadtentwicklungsprojekt, wird so schnell nicht gebaut werden. Und selbst wenn, wüsste keiner, was da entstehen soll. Verantwortlich dafür könnte ausgerechnet jene Frau sein, die für das Bauen eigentlich verantwortlich ist: Berlins Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt.

Mit großer Spannung war die finale Sitzung des Preisgerichts am Dienstag erwartet worden. Zwei Entwürfe standen der Jury zur Auswahl. Der Entwurf des dänischen Teams von OS Arkitekter aus Kopenhagen und der Czyborra Klingbeil Architekturwerkstatt aus Berlin atmet den Geist der Zeit: viel Grün, flexibles Bauen, Erhalt von möglichst viel Bestand. Klimagerechter Städtebau also, den der zweite Entwurf nicht vorweisen kann. Stattdessen orientiert sich das Büro Albers/Malcovati an der Idee einer städtebaulichen Rekonstruktion. Zukunftsweisend oder rückwärtsgewandt – das war die Frage, die die Jury zu entscheiden hatte.

Am Ende blieb die Entscheidung aus. Wie es hieß, habe es in der Jury eine deutliche Sympathie für den Entwurf von OS Arkitekter gegeben. Ein entsprechendes Votum aber habe die Senatsbaudirektorin nicht zulassen wollen. „Dass es keine Entscheidung gibt, irritiert und wirft Fragen auf, die noch zu klären sind“, ärgerte sich der stadtentwicklungspolitische Sprecher der Grünenfraktion, Julian Schwarze.

Auf einer Pressekonferenz am Mittwoch versuchte Kahlfeldt, das Problem herunterzureden. Eine Entscheidung sei gar nicht vorgesehen gewesen. „In einem Werkstattverfahren haben die Planerinnen und Planer uns in den Arbeitsphasen in unserer Auswahl bestätigt und wertvolle Diskussionsansätze mit auf den Weg gegeben“, so die Senatsbaudirektorin. Tatsächlich aber hieß es in der Auslobung des Werkstattverfahrens, dass „die Empfehlung eines der beiden Entwürfe als Grundlage einer Charta für die Entwicklung am Molkenmarkt“ dienen soll.

Transparenz hätte der Entscheidung am Molkenmarkt gut getan.

Grüne und Linke sind sauer

Entsprechend sauer war auch die linke Stadtentwicklungspolitikerin Katalin Gennburg. Es wäre „ein Skandal, wenn Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt entgegen dem Votum der Jurymehrheit eine eindeutige Empfehlung verhindert hat“, sagt Gennburg. Sie fordert eine Entscheidung des Abgeordnetenhauses über die geplante „Charta Molkenmarkt“. Das aber will die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung offenbar verhindern. Stattdessen solle die Charta, die bis Ende des Jahres vorliegen soll, vom Senat beschlossen und dem Parlament lediglich zur Kenntnis vorgelegt werden. Vor einem Jahr allerdings hatte ein Abteilungsleiter der Verwaltung sehr wohl von einer Entscheidung des Abgeordnetenhauses gesprochen. Darüber berichtet der Tagesspiegel.

Zurück auf Start also. Von einer Verzögerung will die Senatsbaudirektorin allerdings nichts wissen. Sie verweist auf archäologische Grabungen auf dem Areal, die ohnehin bis 2025 dauern würden. Anfang 2026 soll dann mit dem Bau begonnen werden.

Ob dann auch die Grünflächen realisiert werden, die beide Architektenteams vorgesehen haben? Kahlfeldt jedenfalls hatte diese als nicht zeitgemäß kritisiert. Das wiederum brachte den Grünen Julian Schwarze erst recht auf die Palme. „Frau Kahlfeldt träumt immer noch von einer Stadt aus Stein und Beton. Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Grünflächen am Molkenmarkt.“

Der Molkenmarkt, haben Beobachter immer wieder, gesagt, sei die erste große Herausforderung für Kahlfeldt, deren Nominierung durch Bausenator Andreas Geisel (SPD) von lautstarken Protesten begleitet worden war. Sowohl die Architektenkammer als auch ein Bündnis aus hunderten Fachleuten hatten ein transparentes Verfahren gefordert.

Transparenz hätte auch der Entscheidung am Molkenmarkt gut getan. Insofern lautet die Antwort auf die Eingangsfrage: Überraschung, ja. Mehr noch aber Affront. Ein Affront mit Ansage.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.