Gaza-Proteste an Universitäten: Diskurs statt Polizei

Weil sie Polizeieinsätze an Unis kritisierten, stehen viele Dozierende selbst in der Kritik. Der Historiker Michael Wildt will eine Entschuldigung.

Polizeibeamte bauen nach der Räumung eines pro-palästinensischen Camps die verbliebenen Zelte ab

Polizisten nach der Räumung des Camps Foto: Sebastian Gollnow/dpa

BERLIN taz | Anfang Mai hat die Polizei ein Pro-Palästina-Camp in der Freien Universität Berlin geräumt. Clemens Arzt, Jurist und Spezialist für Versammlungsrecht, hält das für eine massive Grundrechtseinschränkung. Arzt betonte am Dienstag in Berlin: „Versammlungsfreiheit ist das Recht auf abwegigste Meinungen.“ Doch seit den verbotenen Coronaprotesten gebe es die Tendenz, das Versammlungsrecht immer stärker einzuschränken.

Dass der Polizeieinsatz an der FU mit aggressiven Parolen und der Dialogunwilligkeit der Protestierenden begründet wurde, sei bedenklich. Aggressive Parolen zu schützen, sei gerade „das Wesen der Versammlungsfreiheit“, Dialogfähigkeit dort kein Kriterium. Der Polizeieinsatz an der FU sei mindestens unnötig gewesen. Klüger agierende Universitäten in Köln und Frankfurt hätten gezeigt, dass es möglich ist, anders mit radikalen Protesten umzugehen.

Der NS-Historiker Michael Wildt hatte mit anderen ProfessorInnen gegen den Polizeieinsatz an der FU protestiert. Das hatte ihm und anderen in der Bild-Zeitung in steckbriefhafter Aufmachung der Vorwurf eingetragen, „Juden-Hass-Demos“ zu unterstützen.

Bei Bild mag solch grobe Denunziation nicht verwundern – das Verhalten der FDP-Bundesbildungsministerin wirkte erklärungsbedürftig. Bettina Stark-Watzinger hatte erklärt, das Statement von Wildt & Co mache sie „fassungslos“. Gerade „Lehrende müssen auf dem Boden des Grundgesetzes stehen“. Das war, kaum verhüllt, der Vorwurf, dass sich die inzwischen mehr als 1.000 UnterzeichnerInnen mit ihrem Brief verfassungsfeindlich betätigt hätten.

Abwegig

Wildt kritisierte in Berlin diesen Vorwurf als „abwegig“. Dass sich die Ministerin nur auf die Bild-Berichte bezog, ohne mit den VerfasserInnen geredet zu haben, sei erstaunlich. Er hofft auf eine Entschuldigung von Stark-Watzinger.

Miriam Rürup, Direktorin des Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien in Potsdam, plädierte dafür, die Vielfalt der Stimmen zuzulassen. „Wenn man niedergeschrien wird, muss man halt abwarten, bis es vorbei ist“, so Rürup. Es gehe darum, „klare Kante gegen Antisemitismus zu zeigen“. Und sich gegen Antisemitismusbegriff zu wehren, der verkürzt eingesetzt wird.

Wildt betonte, es sei die Aufgabe von Lehrenden an Universitäten, Spannungen zu deeskalieren. Dabei seien Polizeieinsätze das völlig falsche Mittel. Dass sich jüdische Studierende „nach dem 7. Oktober alleingelassen gefühlt haben“, dürfe sich nicht wiederholen, so Wildt. Es gehe darum, die Selbstregulierungskompetenz der Universitäten zu stärken und kein autoritäres Staatsverständnis zu befördern.

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