Noemi MolitorSubtext
: Mit Lachtherapie den Körper freischütteln

Foto: Fo­to:­ Mathias Königschulte

Instagram spielt mir zurzeit immer Videos von Schütteltherapie in den Feed. Ich habe also im Augenwinkel gelernt, dass es gut ist, die Gliedmaßen zu schütteln, weil dies für die Muskeln sogar erleichternder sein kann als sie zu dehnen. Die Videos wurden wahrscheinlich ausgelöst, weil ich „somatische Übungen“ gegoogelt habe. Diese sollen helfen, Blockaden zu lösen, die entstehen, wenn unverarbeitete Emotionen im Körper festsitzen.

Mich blockiert in solchen Momenten schon die Frage, wie der Algorithmus funktioniert und ob es einen Weg gibt, dieses Körperwissen in den Alltag zu übersetzen, ohne in die nächste neoliberale Falle der Selbstoptimierung zu tappen. Was natürlich nicht dabei hilft, den Computerrücken zu stärken.

Dann vielleicht lieber Lachtherapie in Form von Stand-up-Comedy. Bei Hannah Gadsbys letzter Show „Something Special“ von 2023 habe ich mich so bepisst vor Lachen, dass ich zwischendurch immer wieder vom Stuhl aufgesprungen bin. Geht also doch mit der Bewegung vor dem Bildschirm.

Es ist unfassbar intelligent und feinfühlig wie Gadsby Gendernormen auf den Kopf stellt. Oder aufzeigt, welcher weichgespühlte Feminismus gerade wieder warum populär ist und wie die Kunstgeschichte es schaffen konnte, ein weißes Zentrum zu erfinden, das es nicht gibt.

Comedy funktioniert für mich ähnlich wie Comiczeichnungen. Der Filter des Gezeichneten kann helfen, bei Schrecklichem hinzuschauen, anstatt den Blick abzuwenden. Im Fall von Comedy kann Humor Unsagbares sagbar machen und dafür sorgen, dass die Leute zuhören, anstatt weghören.

In der Show „Nannette“, die 2018 auf Netflix lief, setzte Gadsby diesen Filter ein, um sexualisierte Gewalt in ihrer Verknüpfung mit der Zweigeschlechterordnung zu thematisieren – und gleichzeitig das Genre der Comedy zu dekonstruieren.

Gadsby weiht das Publikum in „Nanette“ in die Regeln der Komik ein und nimmt es immer noch einen Schritt weiter mit. Und ist dabei Meis­te­r:in der Pausen. Gadsby schaut dann mit großen Augen in Richtung Publikum und muss selbst schon lächeln. Ich liebe den Einsatz dieses abwartenden Blicks.

Im Buch „Ten Steps to Nanette – A Memoir Situation“ von 2022 spielt Gadsby ebenso mit den Erwartungen. Die Le­se­r:in­nensch­haft wird direkt angesprochen. In der Mitte ist eine „Intermission“ eingeschoben, in der Gadsby erklärt, warum das Buch die Kategorie Armutsporn nicht bedienen wird: „Ich möchte, dass die Welt aufhört, unnötige Details als Gegenleistung für Empathie zu verlangen.“

Comedy kann Unsagbares sagbar machen und dafür sorgen, dass die Leute zuhören, anstatt weghören

Gadsby versteht sich nicht als „armes Opfer“, sondern ordnet den Affekt des Mitleids als Teil einer übergeordneten homophoben Struktur ein. Eine Struktur, die im Australien der 1990er das politische Klima beherrschte, als die Dekriminalisierung von Homosexualität öffentlich diskutiert wurde. Was heute soziale Medien sind, waren damals Radiosendungen, bei denen Anrufe voller Hassrede einfach laufen gelassen wurden.

Gadsby hat über die Jahre gelernt, was Trigger auslöst. Umgekehrt rät Gadsby, sich zu merken, welche sensorischen Erlebnisse gut tun. Gadsby liebt es zum Beispiel, Kleidung in der Farbe Blau zu tragen, seit sie:­er zum ersten Mal die Fresken in Giottos Scrovegni-Kapelle in Padua erlebt hat. Und nichts bringt Gadsby so zur Ruhe wie das Geräusch, das eine Teetasse macht, wenn sie auf ihrer Untertasse ankommt. Ich gehe schon mal Wasser kochen.