12-Punkte-Plan der FDP: Die Fassade der Ampel ist gefallen

Die Liberalen schießen wieder gegen die eigene Regierung. Damit schafft die FDP Klarheit – über ihr Profil und die Verhärtung der politischen Fronten.

Eine gezeichnete Ampel, rot und grün zeigt nach links, gelb nach rechts

Die FDP geht innerhalb der Ampelkoalition ihren eigenen Weg, besonders in Fragen der sozialen Gerechtigkeit und Umverteilung Illustration: Mario Lars

Oh Gott, die FDP ist neoliberal! Sie will bei den Besitzlosen kürzen und zugunsten der Reichen umverteilen. Sie will diejenigen triezen, die selbst arbeiten, und diejenigen entlasten, die ihr Geld für sich arbeiten lassen.

Aber war das nicht immer klar? Man hatte es lediglich zu Beginn dieser Legislatur, als die FDP ins rot-grüne Lager wechselte, verdrängt und sich vielleicht ein bisschen zu sehr von der Selbstbeschwörungsrhetorik der Ampel als Fortschrittskoalition einlullen lassen.

Diese Fassade einer Koalition, in der laut Selbstbeschreibung „Zusammenhalt und Fortschritt auch bei unterschiedlichen Sichtweisen gelingen können“, ist mit dem nun veröffentlichten „Wirtschaftswende-Plan“ der FDP endgültig gefallen.

Es ist erst mal gut, dass Klarheit herrscht. Wenige Wochen vor der Europawahl, die als eine Art nationale Zwischenwahl für die im nächsten Jahr anstehende Bundestagswahl gilt, treten die Konturen der demokratischen Parteien schärfer zutage. Bür­ge­r*in­nen haben wieder eine echte Auswahl im demokratischen Spektrum, was Populisten und Rechtsextremisten, die auf die „Systemparteien“ schimpfen und sich als Alternative anbieten, das Geschäft erschweren dürfte.

Die FDP bietet sich jedenfalls als Alternative zu Grünen und SPD an. Sie will schärfere Sanktionen für Bür­ger­geld­emp­fän­ge­r*in­nen durchsetzen und die Rente nach 45 Beitragsjahren wieder abschaffen, sie will Spit­zen­ver­die­ne­r*in­nen und Unternehmen beim Soli entlasten, möchte, dass Unternehmen auf Kinder- und Zwangsarbeit entlang ihrer Lieferketten pfeifen können und die erneuerbaren Energien dem freien Spiel des Marktes überlassen. Kurz: Sie will zurück in jenes Lager, aus dem sie kommt: das bürgerlich-marktradikale Lager.

Keine Mehrheit für niemand

Dort macht sich allerdings auch die von Friedrich Merz geführte CDU breit und sie wartet nicht gerade auf die FDP. Die CDU tickt zwar wirtschaftlich ähnlich wie die Liberalen und hat vor zwei Monaten fast gleichlautende Forderungen verabschiedet. Sie hat aber auch alles getan, um der FDP in den vergangenen Monaten die Wäh­le­r*in­nen abspenstig zu machen. Und zwar so erfolgreich, dass die FDP bei Landtagswahlen unterging und in bundesweiten Umfragen seit längerem in der Fünf-Prozent-Todeszone schwebt.

Es gibt derzeit keine gesellschaftliche Mehrheit für das marktradikale Lager. Jedoch kommen SPD und Grüne mit sozialen und ökologischen Themen derzeit auch nicht auf die nötige kritische Masse für eine gemeinsame Regierungskoalition. Das macht einen baldigen Koalitionsbruch eher unwahrscheinlich, zumal keine der drei Ampelparteien davon profitieren dürfte.

Die lagerübergreifende Suche nach Kompromissen wird also weitergehen. Und die wird mit den FDP-Vorschlägen nicht einfacher. Die anstehenden Haushaltsverhandlungen werden zäh, unappetitlich und für alle Seiten schmerzhaft. Einen Schönheitspreis wird die Ampel wohl nicht mehr erhalten. Allein die Wäh­le­r*in­nen haben es in der Hand, dieses quälende Schauspiel zu beenden, indem sie bei der nächsten Bundestagswahl für klare Mehrheitsverhältnisse sorgen. Oder auch nicht. So geht eben Demokratie.

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Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.

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