Geflüchtete als Arbeitskräfte entdeckt: Lü­cken­fül­le­r:in­nen welcome!

Schleswig-Holstein startet ein Projekt, durch das Geflüchtete schneller zu Jobs kommen. Bekämpft werden soll so auch der Fachkräftemangel.

Eine Pflegerin legt ihre Hand auf die Schulter einer sitzenden Person mit weißen Haaren.

Gesucht: Menschen, die Vorkenntnisse oder zumindest Interesse an Pflege­berufen haben Foto: Sebastian Gollnow/dpa

RENDSBURG taz | Geflüchtete sollen schneller den Weg in den Arbeitsmarkt finden. Dazu startet Schleswig-Holsteins schwarz-grüne Landesregierung mit der Landesagentur für Arbeit ein neues Projekt, das ein Gamechanger werden soll. So versprach es jedenfalls Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne). Denn bisher müssen Geflüchtete viele Hürden überwinden, bis sie eine Arbeit aufnehmen können.

Lob kommt für diesen Vorstoß sogar von der Opposition. Grundsätzliche Kritik von Flüchtlingsorganisationen gibt es allerdings daran, dass neue Gesetze die Lage für Geflüchtete mit Behinderung – die oft weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben – verschlechterten. Zudem richtet sich das neue Projekt nur an Personen mit fester Bleibeperspektive.

„Künftig begreifen wir Geflüchtete vom ersten Tag an auch als potenzielle Fachkräfte“, sagte Touré. „Und zwar in ihrem eigenen Interesse und im Interesse unseres Fachkräftemangels, dem wir begegnen müssen.“

Der wird auch in Schleswig-Holstein immer fühlbarer, so Tourés Kabinettskollege, Arbeitsminister Claus Ruhe Mad­sen (CDU), der zum Tag der Arbeit die aktuellen Zahlen vorstellte. Die zurzeit positive Entwicklung werde durch den „zunehmenden Fach- und Arbeitskräftemangel“ bedroht. Eine Gruppe, die die Lücke stopfen könnte, sind Geflüchtete. Das Arbeitsministerium bietet mit dem Netzwerk „Alle an Bord!“ bereits Beratungen für Unternehmen und Geflüchtete an.

Aminata Touré, Integrations­ministerin in Schleswig-Holstein

„Künftig begreifen wir Geflüchtete vom ersten Tag an auch als potenzielle Fachkräfte“

Das neue Projekt des Integrationsministeriums setzt in den Erstunterkünften an, der ersten Wohnadresse der meisten Menschen, die in Deutschland Asyl beantragen – Personen aus der Ukraine haben einen Sonderstatus.

Zuerst sollen in den Unterkünften in Boostedt und Rendsburg vor allem Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan angesprochen werden, die generell eine gute Bleibeperspektive haben. Besonders gesucht sind Menschen, die Vorkenntnisse oder zumindest Interesse an Pflegeberufen haben.

Mit ihnen führen Fachleute des Landesamtes für Zuwanderung und Flüchtlinge auf freiwilliger Basis ein Erstgespräch und verteilen Fragebögen, die an die Bundesagentur für Arbeit (BA) geschickt werden, deren Mit­ar­bei­te­r:in­nen nach passenden Arbeitsplätze suchen. Geplant ist, dass die Geflüchteten aus der Erstunterkunft direkt dorthin ziehen, wo Stellen frei sind.

Markus Biercher, Chef der Regionaldirektion Nord der BA, nannte die Vorteile des Projekts: „Ankommenden Menschen signalisieren wir, dass wir in Schleswig-Holstein gemeinsam berufliche Perspektiven erarbeiten wollen. Dabei setzt das freiwillige Angebot niemanden unter Druck. Unternehmen werden mit etwas Geduld auf motivierte New­comer treffen.“

Serpil Midyatli, Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, erinnerte daran, dass die Bundesregierung mit dem „Job-Turbo“ die Weichen für die vereinfachte Integration gestellt habe. „Wir freuen uns, dass Ministerin Touré im Land die Umsetzung unterstützt“, sagte Mid­yatli. Denn „Arbeit ist zentral für Teilhabe und Integration. Gleichzeitig brauchen wir mehr Arbeits- und Fachkräfte.“

Erschwernis für nicht arbeitsfähige Menschen

Geflüchtete, die schnell eine Arbeit finden, könnten damit auch leichter einen deutschen Pass erhalten. Denn das neue Staatsangehörigkeitsrecht, das im Juni in Kraft treten soll, sieht vor, dass „besondere Integrationsleistungen belohnt“ werden.

Im Gegenzug macht das Gesetz aber auch klar: „Wer die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben möchte, muss für sich und seine Angehörigen den Lebensunterhalt grundsätzlich selbst bestreiten können.“

Das trifft nicht arbeitsfähige Menschen: Für sie werde es mit dem neuen Gesetz schwerer, einen deutschen Pass zu erhalten, warnen Verbände, die für die Rechte von Menschen mit Behinderung eintreten.

Für einen Großteil der Geflüchteten könne aber das Pilotprojekt eine „gute berufliche Integration in den Arbeitsmarkt und damit in die Gesellschaft“ bedeuten, sagte Ministerin Touré. Allerdings blieben Fragen von Wohnen bis zur Anerkennung beruflicher Abschlüsse „herausfordernd“.

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