Bodentruppen für die Ukraine?: Macron lenkt nur ab

Frankreichs Präsident zeichnet ein brandgefährliches Szenario. Stattdessen sollte das Land seine kläglichen Waffenhilfen für die Ukraine endlich ausweiten.

Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, hebt seine rechte Hand. Er wirkt, als würde er gleich reden, hat den Mund leicht geöffnet.

Dann schick halt Waffen, Emmanuel Macron! Foto: Ludovic Marin/Pool/reuters

Emmanuel Macron dürfte zufrieden sein. Seine öffentlich vorgetragenen Gedankenspiele über die Entsendung von Soldatinnen und Soldaten westlicher Staaten in die Ukrai­ne haben dem französischen Präsidenten eine maximale internationale Aufmerksamkeit beschert. „Wir werden alles tun, was nötig ist, damit Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann“, hat Macron im Anschluss an die Pariser Hilfskonferenz für die Ukraine vollmundig versprochen und in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen, „offiziell Bodentruppen zu entsenden“.

Dabei weiß er genau, dass ein direktes militärisches Eingreifen von Nato-Staaten aufseiten der angegriffenen Ukraine zwar nicht im Widerspruch zur UN-Charta und dem Völkerrecht stehen würde, aber möglicherweise zur weiteren Existenz der Menschheit. Das Risiko eines Atomkriegs macht das Diktum von Bundeskanzler Olaf Scholz schlicht vernünftig, eine direkte Kriegsbeteiligung auszuschließen.

Was soll das also? Hier der entschlossene und zu allem bereit erscheinende Präsident Frankreichs, dort der zaudernde und ängstliche deutsche Kanzler – das so unterschiedliche öffentliche Auftreten der beiden so verschiedenen Charaktere befeuert zwar dieses Zerrbild. Mit der Realität hat es aber wenig zu tun. Mit seiner kraftstrotzenden Rhetorik versucht Macron vielmehr abzulenken von der frappierenden Zurückhaltung Frankreichs bei der Hilfe für die Ukraine.

Dass das Land bisher der russischen Soldateska standhalten konnte, verdankt sich ganz gewiss nicht des großen Engagements Frankreichs – denn das gibt es nicht. Tatsächlich bewegt sich sowohl dessen militärische als auch humanitäre Unterstützung auf einem jämmerlich niedrigen Niveau. Sie macht nicht einmal ein Zehntel von dem aus, was die Bundesrepublik der Ukraine zukommen lässt.

Laut dem Ukraine Support Tracker“ des Kiel Instituts für Weltwirtschaft belief sich die geleistete und die zugesagte Unterstützung Frankreichs für die Ukraine vom 24. Februar 2022 bis zum 15. Januar dieses Jahres auf insgesamt rund 1,8 Milliarden Euro, das sind knapp 0,07 Prozent des französischen Bruttoinlandprodukts (BIP). Im gleichen Zeitraum summierten sich die Hilfsleistungen Deutschlands auf rund 22,1 Milliarden Euro, was etwa 0,57 Prozent des deutschen BIP entspricht. Bei den humanitären Leistungen steht die BRD auf Platz 1, bei den militärischen auf Platz 2 hinter den USA. Frankreich rangiert bei der humanitären Hilfe auf Platz 9, bei der militärischen Unterstützung auf Platz 16.

Frankreich lässt für Olympia viermal so viel Geld springen wie für die angegriffenen Menschen in der Ukraine

Dabei ist es nicht so, dass sich Frankreich keine stärkere Unterstützung leisten könnte. Es ist eine Frage der Prioritätensetzung, wenn der französische Staat für die Olympischen Spiele im Sommer in Paris mehr als das Vierfache springen lässt als für die angegriffenen Menschen in der Ukraine. Eine Frage von Prioritäten ist es auch, wenn Frankreich weiter an seinen strahlenden Urangeschäften mit Russland festhält.

Eindringlich appellierte Wolodymyr Selenskyj auf der Münchner Sicherheitskonferenz, endlich alle Lücken und Schlupflöcher bei den Sanktionen zu schließen. Ausdrücklich nannte er dabei den Nuklearsektor. Doch dank Macron ist Uran aus Russland bis heute kein Bestandteil der EU-Sanktionspakete. Das wird auch nicht dadurch besser, dass andere EU-Länder wie Österreich oder Ungarn immer noch in großem Maßstab ihr Gas aus Russland beziehen. All das mindert den Druck auf das Putin-Regime und hilft ihm, seinen Krieg fortzusetzen.

Anders als von Macron behauptet, unternimmt sein Land keineswegs alles, damit Russland den Krieg nicht gewinnen kann. Ja, im Gegensatz zu Deutschland hat es ebenso wie Großbritannien Marschflugkörper an die Ukraine geliefert. Und sicherlich nutzt das dem bedrängten Land, so wie auch der Taurus nutzen würde. Aber die völlig überzogene Taurus-Diskussion, durchzogen von einem merkwürdigen deutschen V2-Wunderwaffenglauben, täuscht darüber hinweg, dass das Problem nicht Scholz und der deutsche Beitrag zur Ukraine-Unterstützung ist.

Wenn sich die Chance für die Ukraine erhöhen soll, der russischen Militärmacht standzuhalten, wird Frankreich seine Anstrengungen zumindest auf das Niveau Kanadas, Japans oder der skandinavischen Länder, besser noch Deutschlands bringen müssen. Angesichts der politischen Unsicherheiten in den USA ist die Entschlossenheit der europäischen Staaten zu einer auch längerfristigen Unterstützung der Ukraine mit ausreichend Waffen und Munition eine entscheidende Voraussetzung, um irgendwann das Fenster für Friedensverhandlungen über ­einen vollständigen Abzug der russischen Truppen zu öffnen. Macrons verbale Kraftmeiereien werden nicht ausreichend sein.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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