Westliche Unterstützung für die Ukraine: Es gibt nur „as long as it takes“

Die USA sind unverlässlich, Populisten stehen vor der Tür und Trump droht am Horizont. Europa muss jetzt Verantwortung für die Ukraine übernehmen.

Ein Soldat in einer Trümmerlandschaft.

Braucht Unterstützung: Ukrainischer Soldat nach einem russischen Angriff im Oblast Saporischschja am 21. Februar Foto: reuters

Zigtausende Tote, Millionen Vertriebene, zerbombte Städte und Dörfer, zerstörtes Leben, gepeinigte Seelen und unermessliches Leid: Seit 24 Monaten tobt Russlands Angriffskrieg nun schon in der Ukraine, ein Ende ist nicht in Sicht. Die Bilder und Nachrichten sind kaum noch zu ertragen.

Entsprechend groß ist der Wunsch, einfach mal abzuschalten – ein Luxus, den sich die Ukrai­ne­r*in­nen nicht leisten können. Angesichts der katastrophalen Lage fragen sie sich: Wie lange werden sie noch in der Lage sein, dem Aggressor standzuhalten?

Noch im Frühjahr vergangenen Jahres gab es berechtigte Gründe zu der Annahme, eine erfolgreiche Gegenoffensive der ukrainischen Streitkräfte könne die Wende in diesem mörderischen Krieg bringen. Heute hingegen lautet der bittere Befund: Militärisch steht Kyjiw mit dem Rücken zur Wand. Es fehlt an Sol­da­t*in­nen, Kriegsgerät und Munition. Die Ukraine ist von Waffenlieferungen des Westens abhängiger denn je.

Doch die Hoffnung auf die wie ein Mantra beschworene und versprochene Unterstützung der Verbündeten weicht zunehmender Verunsicherung. Ein Finanzpaket von knapp 56 Milliarden Euro blockieren die Republikaner im US-Repräsentantenhaus – Ausgang offen. Auch die EU hinkt ihren Zusagen hinterher. Von einer Million Artilleriegeschossen könnte bis Ende März nur die Hälfte geliefert sein.

Dunkle Aussichten

Immerhin: Angesichts der unerfreulichen Aussicht auf eine Wiederwahl von Donald Trump zum US-Präsidenten im November und dem bangen Blick auf prognostizierte Zuwächse für Po­pu­lis­t*in­nen bei der diesjährigen Europawahl scheint bei europäischen Po­li­ti­ke­r*in­nen eine Erkenntnis gereift zu sein: über die Notwendigkeit, in die Verteidigung zu investieren, sich grundlegend anders aufzustellen. Ob und wann diese neue Sicherheitsarchitektur jedoch kommen und wie sie aussehen wird, steht in den Sternen.

Demgegenüber scheint Russlands Präsident Wladimir Putin – mittlerweile im Krieg gegen den „kollektiven Westen“ – vor Kraft kaum laufen zu können. Seine Wiederwahl im März steht fest, die Repressionsmaschine in Russland läuft auf Hochtouren und mit dem Tod des inhaftierten Alexei Nawalny ist auch der prominenteste Oppositionelle endgültig zum Schweigen gebracht.

Westliche Sanktionen zeigen bislang nicht die erhoffte Wirkung, die Rüstungsindustrie boomt. „Menschenmaterial“ spielt für Putin keine Rolle und die Zeit spielt für ihn. Was nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass die Erfolge der russischen „militärischen Spezialoperation“, wie die Einnahme der ostukrainischen Stadt Awdijiwka in der vergangenen Woche, überschaubar bleiben.

Die Kriegsziele des Kreml in der Ukraine haben sich nicht geändert: Den ukrainischen Staat vernichten, bestenfalls unterwerfen. Verhandlungen ja, aber nur zu Moskaus Bedingungen, sprich: Kapitulation des Nachbarn. „As long as it takes“, war da mal was? Und was wäre die Alternative? Die Ukraine untergehen und Putin einfach weitermachen lassen?

„Dieser Krieg ist nicht unser Krieg“, steht an Häuserwänden in Berlin und nicht nur dort geschrieben. Von wegen. Es ist unser aller Krieg und das wird er bleiben, auch wenn viele das immer noch nicht wahrhaben wollen. Wer wäre nicht dafür, dass die Waffen endlich schweigen? Doch ein Frieden, der diesen Namen auch verdient, hat einen Preis, nicht nur für die Ukrainer*innen. Solange Wladimir Putin im Kreml sitzt, wird er versuchen, ihn in die Höhe zu treiben. Dafür gilt es, gewappnet zu sein. Ohne Wenn und Aber.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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