Debatte nach Urteil zur Haasenburg: „Ehemalige haben keine Kraft mehr“

Brandenburgs Landtag stimmt für eine Entschädigung früherer Haasenburg-Kinder. Aber nur auf Bundesebene, deshalb sind Betroffene enttäuscht.

Richter in Roben hinter Stühlen

Richter vom Verwaltungsgericht während der Verhandlung zum Klageverfahren der Haasenburg GmbH Foto: Patrick Pleul/dpa

BRANDENBURG taz | Einstimmig, nur mit Enthaltung der AfD, stimmte der Landtag in Brandenburg am Freitag für einen Antrag, der sich solidarisch mit den früheren Bewohnern der Haasenburg zeigt. Der Landtag spricht sein Bedauern für das Leid der Kinder aus, die in den drei Heimen lebten, und fordert seine Landesregierung auf, sich für einen bundesweiten Entschädigungsfonds einzusetzen.

Damit reagiert Brandenburgs Koalition aus SPD, CDU und Grünen auf das jüngste Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus, wonach die Heim-Schließung vor zehn Jahren rechtswidrig war. Eröffnet hatte die Debatte die Linke Jugendpolitikerin Isabel Vandre mit den eindringlichen Worten: „Die Schließung der Haasenburg war und ist aus Kinder- und Jugendpolitischer Sicht ein notwendiger, unumgänglicher und lange überfälliger Schritt gewesen.“

Vandre hatte einen weitergehenden Antrag eingereicht, der eine Entschädigung durch das Land Brandenburg selbst vorsah. Denn auch wenn das brandenburgische Jugendministerium noch viele Jahre juristisch für die Rechtmäßigkeit dieses Schrittes kämpfen könne, „die ehemaligen Kinder und Jugendlichen, aus denen schon lange Erwachsene geworden sind, haben diese Zeit nicht mehr. Sie haben auch die Kraft nicht mehr, noch weitere Jahre für Entschädigung oder die Bewilligung von Therapiemaßnahmen zu kämpfen“. Deswegen, so Vandre, gehöre zu einer Verantwortungsübernahme des Landes Brandenburg auch die Bereitschaft, „direkt unbürokratisch“ zu unterstützten.

Doch so weit ging die Kenia-Koalition in ihrem Antrag nicht. Gleichwohl stellen die drei Fraktionen fest, dass die Haasenburg Anlass zu Gesetzesverschärfungen gab und Kinderschutz bis 2013 „unzureichend“ war. Das Urteil habe bei den Betroffenen zu „großer Fassungslosigkeit“ geführt, sagte SPD-Politikerin Katja Poschmann. Denn vor der konsequenten Reaktion der Landesregierung, das Heim zu schließen, hätten junge Menschen dort viel Leid erfahren. „Liebe Jugendliche und junge Erwachsene, ich entschuldige mich ganz ausdrücklich für das Leid, das euch und Ihnen zu dieser Zeit geschehen ist“, sagte sie im Plenarsaal. Die Frage einer Entschädigung bedürfe jedoch einer „generellen Lösung“. Deshalb sollte die Konferenz der Jugendminister einen Fond prüfen, der allen zugänglich ist, die seit 1990 als Kinder institutionelle Gewalt erlebten.

„Der Haasenburg-Skandal hat mich damals sehr schwer erschüttert“, sagte auch Grünen-Fraktionschefin Petra Budke. Die Kinder und Jugendlichen dort seien Opfer schwarzer Pädagogik geworden. „Sie wurden gedemütigt, zwangsfixiert, eingesperrt. Erfuhren psychische und körperliche Gewalt bis hin zu sexuellem Missbrauch“. Doch die Betroffenen seien aus der ganzen Republik gekommen. Zu prüfen wäre ein Fonds, in den sowohl der Bund als auch alle Länder einzahlen. So ein Fonds sei realistisch, hatte dies doch 2019 schon mal der Bundesrat gefordert.

Für die Regierung ergriff Staatsrätin Claudia Zinke vom Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (MBJS) das Wort. Das Urteil müsse für Betroffene wie ein weiterer Vertrauensverlust wirken. Doch das Ministerium werde die Möglichkeiten des Rechtsstaates ausnutzen. Zinke: „Das MBJS steht an der Seite der ehemaligen Bewohnerinnen und Bewohner der Haasenburg“.

Die Debatte wurde auch von der Interessensgruppe der ehemaligen Haasenburg-Kinder verfolgt. „Ich bin enttäuscht, dass der Antrag der Linken abgewiesen wurde und es immer auf die Bundesebene abgeschoben wird“, sagt Vertreterin Ramona Seifert. „Nach dem Motto: tut uns leid, aber wir sind nicht die richtigen.“ In der Gruppe ist noch die Bremer Bürgerschaft präsent, die sich vor einem Jahr auch für die Haasenburg entschuldigte und beim Punkt Entschädigung auf die Bundesebene verwies. „Passiert ist seither nichts“, sagt Seifert. „Das ist ärgerlich“.

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