Drohender Abriss in Berlins Europa-City: Acht Wohnungen weniger

Das Land und seine Wohnungs­baugesellschaften haben kein Interesse an einem Moabiter Mietshaus. Nun sucht das Bundeseisenbahnvermögen einen Käufer.

Aus der Anzeige in der Immowelt Foto: Immowelt

BERLIN taz | Die Anzeige auf Immowelt ist unmissverständlich. Als „überwiegend leerstehendes Mehrfamilienhaus“ bietet das Bundeseisenbahnvermögen (BEV) das 1870 errichtete Mietshaus in der Heidestraße 45 in Moabit feil.

Gepriesen wird natürlich auch die Lage dieses „Kleinods aus der Gründerzeit“: die neue Europacity „in einer herausgehobenen zentralen Innenstadtlage und fußläufig zum Hauptbahnhof“.

Sechs der acht Wohnungen stünden leer, heißt es in der Anzeige weiter. Und dann folgt der entscheidende Satz: „Auf Grundlage der bestehenden Festsetzungen erscheint eine Neubebauung mit einem Büro- und Geschäftsgebäude realisierbar.“

Eine Bundesbehörde gibt ein Wohnhaus in Berlin zum Abriss frei – und Land und Bezirk gucken zu? Hat das Land nicht vor zwei Jahren 11.000 Wohnungen und Gewerbeeinheiten für 1,65 Milliarden Euro gekauft?

Berlin hatte Vorkaufsrecht

Geht es um den Immobilienbesitz des Bundes in Berlin, hat das Land tatsächlich ein Vorkaufsrecht. Das bestätigte zuletzt das Bundesfinanzministerium im Oktober 2020 in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag.

Das BEV habe dem Land Berlin demnach mehrere „Liegenschaften im Erstzugriff angeboten“, heißt es hier. Aufgeführt werden dabei neben dem Flughafen Tempelhof und dem S-Bahnhof Hermannstraße auch fünf Wohngebäude, darunter die Heidestraße 45.

Die zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat die Übernahme zunächst prüfen lassen. Über die Wohnungsbauleitstelle wurde 2020 auch das Interesse der sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften abgefragt. Allerdings ohne Ergebnis.

Im Februar 2023 teilte die landeseigene Berliner Immobilien Management GmbH BIM dem Bezirk Mitte schließlich mit, die Wohnungsbaugesellschaften hätten „kein vertieftes Interesse hervorgebracht, weshalb das Bundeseisenbahnvermögen die Liegenschaft im Rahmen eines öffentlichen Bieterverfahrens veräußern wollte“.

Zwar blieb dieses erste Bieterverfahren ohne Ergebnis. Im zweiten, das das BEV nun über Immowelt gestartet hat, kann das Land sein Vorkaufsrecht allerdings nicht mehr geltend machen.

Bezirksamt ist enttäuscht

Der Baustadtrat von Mitte, Ephraim Gothe (SPD), findet das „bedauerlich“. „Aus meiner Sicht haben die Wohnungsbaugesellschaften die Werthaltigkeit in fußläufiger Nähe zum Hauptbahnhof einfach unterschätzt, auch wenn es kein Neubaupotenzial auf dem Grundstück gibt“, sagt Gothe der taz.

Statt der zwei Millionen Euro, die das Haus wohl wert ist, verlangt das Bundeseisenbahnvermögen in seiner neuen Offerte inzwischen 5,2 Millionen Euro. Den Widerstand verbliebener Mieterinnen und Mieter müsste der potenzielle Käufer nicht mehr fürchten. Christian Pie­chotta, der letzte Mieter, über den die Zeit im Februar eine große Geschichte veröffentlichte, ist inzwischen gestorben.

Nun lässt Gothe wenigstens prüfen, ob sein Amt einem möglichen Käufer den Abriss genehmigen kann.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.