Migrationsreform der EU: Soli-Pool statt Verteilmechanismus

Die geplante EU-Migrationsreform nimmt Gestalt an. Kri­ti­ke­r*in­nen warnen vor einer Einschränkung des Asylrechts und mangelhaftem Datenschutz.

Ein Mann schaut aus dem Bullauge eines Schiffs und macht das Siegeszeichen

Ein Geflüchteter macht das Siegeszeichen bei der Ankunft am Hafen von Catania, Italien am 12. April Foto: Orietta Scardino/epa

BERLIN taz | Bei den Verhandlungen über den 2020 präsentierten EU-Migrationspakt ist ein Ende in Sicht. Eine Vertreterin der EU-Kommission sagte am Donnerstag in Berlin, sie rechne damit, dass der aus zehn Gesetzesvorlagen bestehende Pakt im Februar 2024 beschlossen werde. Die sogenannte Trilog-Abstimmung zwischen Rat, Parlament und Kommission sei seit Kurzem im Gang. Mit dem Pakt sollen weite Teile des EU-Asylsystems reformiert und auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt werden.

Auf dem Tisch liegt auch ein Vorschlag der Kommission für eine Reform der Dublin-Verordnung. Die Länder der ersten Einreise Schutzsuchender – also meist jene an der Außengrenze – sollen demnach auch weiter für Asylverfahren, Aufnahme und Versorgung zuständig bleiben. Genau das lehnen Außengrenzen-Staaten wie Italien und Griechenland allerdings weiter ab.

Lediglich für Ausnahmefälle, etwa bei familiärem Bezug oder Voraufenthalten, hat die Kommission die Möglichkeit einer Weiterreise für ein Asylverfahren in ein anderes EU-Land vorgeschlagen. Das wiederum ist dem Vernehmen nach anderen Staaten in Zentraleuropa nicht recht.

Auch einen festen Verteilmechanismus innerhalb der EU soll es künftig nicht geben. Entlastung für die Außengrenzen-Staaten soll nach dem Willen der Kommission stattdessen ein „Solidaritätspool“ bringen, über den andere EU-Mitglieder entweder freiwillig Aufnahmeplätze oder ersatzweise Geld- oder Sachleistungen bereitstellen können.

Kritik von Migrationsforscher

Für den bereits seit Juni 2022 geltenden freiwilligen Verteilmechanismus hätten sich bereits 13 EU-Staaten gemeldet, sagte die Kommissionsvertreterin. Über diesen sollen zunächst bis Mitte diesen Jahres 12.000 Menschen aus Italien und Zypern umverteilt werden. Die schleppende Umsetzung – Deutschland etwa hat bisher nur rund 20 Prozent der zugesagten Zahl an Menschen aufgenommen – sei unter anderem auf die unterbesetzte Verwaltung in Zypern zurück zu führen, sagte die Kommissionsvertreterin.

Hinzu komme, dass die Aufnahmestaaten – vor allem Deutschland und Frankreich – Bedingungen stellten, wer kommen dürfe und vor allem solche Schutzsuchende mit einer hohen Bleibe- und Integrationsperspektive einreisen lassen wollen.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte der taz am, dass Deutschland bis Mitte April im Rahmen des freiwilligen europäischen Solidaritätsmechanismus insgesamt 744 Personen übernommen habe, davon 525 aus Italien und 219 aus Zypern. Weitere Übernahmen seien geplant, das zugesagte deutsche Kontingent umfasse bis zu 3.500 Plätze. Ein Jahr nach seinem Inkrafttreten – also im Sommer – solle Bilanz gezogen und über eine mögliche Verlängerung entschieden werden. Über Einzelheiten des Mechanismus hätten die beteiligten EU-Staaten „im Interesse der vertraulichen Zusammenarbeit“ Verschwiegenheit vereinbart.

Bei einer Veranstaltung des Mediendienst Integration kritisierte der Jurist und Migrationsforscher Constantin Hruschka die Reformpläne der Kommission. Mit den geplanten Änderungen drohen juristische Probleme, etwa weil der Zugang zum Asylverfahren womöglich unzulässig eingeschränkt werde. „Auch die Rechte der Flüchtlinge, sich gegen negative Asylentscheidungen zu wehren, sind bedroht.“ Das betreffe insbesondere die geplanten so genannten beschleunigten Grenzverfahren.

Außerdem könnte die Gefahr steigen, dass Staaten auf Pushbacks setzen, um Flüchtlinge fernzuhalten, so Hruschka. „Uneindeutigkeiten bei den geplanten Regelungen könnten dazu ermuntern, zu solchen illegalen Maßnahmen zu greifen.“ Hruschka fürchtet zudem Datenschutzprobleme. Die EU Plane, mehr Daten über Schutzsuchende zu sammeln, diese länger zu speichern und anderen Daten zu kombinieren. Gleichzeitig sollen dann auch deutlich mehr Stellen Zugriff auf diese sensiblen Daten bekommen, etwa die deutschen Ausländerbehörden.

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