Arbeitstempo der Ampelkoalition: Gesetze im Schnelldurchlauf

Die regierende Ampel beschließt Gesetze im Akkord. Beachtlich, wenn auch zum Nachteil von Abgeordneten und Be­ob­ach­te­r:in­nen aus der Zivilgesellschaft.

Viele Gespräche und Unruhe im Bundestag unter den Abgeordneten

Vor der Sommerpause ist viel los im Bundestag Foto: Bernd von Jutrczenka/ dpa

Das Tempo der Ampel ist enorm. Trotz aller Unstimmigkeiten, trotz Atomstrom, Verbrennungsmotor und Schuldenbremse: Bis zum Beginn der parlamentarischen Sommerpause hat sie eine Menge weggearbeitet. 43 Gesetze und Gesetzesänderungen hatte die Koalition nach eigener Zählung im ersten Halbjahr beschlossen, 11 kamen allein in dieser Woche hinzu. Angesichts all der Krisen (Corona, Krieg, Klima) ist diese Schlagzahl natürlich angemessen. Alles andere hätte in den Kommentarspalten zuverlässig den journalistischen Nörgelreflex ausgelöst: die Schnarchnasen. Verschleppen mal wieder alles.

Um dennoch ein wenig zu mäkeln: Dauerhaft wäre auch dieses hohe Tempo ein Problem. Die demokratische Kontrolle der Regierung funktioniert in diesem Modus nur eingeschränkt. Angefangen bei der Berichterstattung: Unter normalen Umständen wären viele der beschlossenen Maßnahmen ganze Schwerpunktseiten wert, im Fast-Forward-Modus dagegen schaffen sie es nur mit Glück in eine Meldungsspalte. Die Einsetzung des Untersuchungsausschusses zu Afghanistan, politisch allemal bedeutsam, fand in der Nacht zu Freitag sogar fast ganz ohne Öffentlichkeit statt. Die prominenteren Slots in der Tagesordnung waren durch andere Großthemen blockiert, den Nato-Beitritt von Schweden und Finnland etwa oder die Gesetze zum Ausbau der Erneuerbaren.

Im Nachteil sind auch die Abgeordneten, denen zum Teil noch nicht einmal die Zeit blieb, frisch aus dem Kabinett gekommene Gesetzentwürfe durchzulesen, bevor sie in den Ausschüssen diskutiert wurden. Von der Wachheit des Geistes ganz zu schweigen: Vielen Abgeordneten ist nach den intensiven letzten Monaten anzusehen, dass sie im Sommerurlaub das Handy dringend mal ausschalten sollten. Ähnliche Pro­ble­me haben die Verbände, die im Gesetzgebungsprozess traditionell auf verschiedenen Ebenen konsultiert werden, jetzt aber auch nicht hinterherkommen. Noch schärfer als sonst zeigt sich so das Gefälle, das es ohnehin gibt zwischen der personell relativ gut ausgestatteten Exekutive und dünn besetzen Redaktionen, Bundestagsbüros und NGO-Zentralen (finanzstarke Lobbygruppen der Wirtschaft seien mal ausgenommen).

Was kann man da machen? Erst mal nichts. Die Krisen werden voraussichtlich auch über die Sommerpause hinweg anhalten, sich eher noch verschärfen. Der Handlungsdruck bleibt hoch, ein geringeres Tempo kann sich die Koalition nicht leisten. Helfen könnte höchstens ein bisschen Nachsicht mit der Ampel, wenn neben der Krisenbewältigung ein paar weniger drängende Vorhaben länger liegen bleiben. Die Legislaturperiode geht bis 2025. Bis dahin bleibt noch etwas Zeit.

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Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.

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