Apfelanbau in Südtirol: Pestizide bis hoch auf den Bergen

Im italienischen Vinschgau wird viel Ackergift gespritzt, das auch die Natur trifft. Von dort stammen 10 Prozent der in Europa gegessenen Äpfel.

Apflebäume vor Bergen.

Apfelanbaugebiet Vinschgau in Südtirol Foto: Shotshop/imago

ROM taz | Unberührt wirkt die Natur, hoch oben auf den Bergen des Vinschgau in Südtirol. Die saubere Luft, der weite Blick über die sattgrünen Almwiesen und die mit Nadelholz bewachsenen Hänge: Hier ist die Welt noch in Ordnung.

Ist sie das? Zweifel daran nährt jetzt eine Studie der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) und der Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU) zur Pestizidbelastung in der scheinbaren Idylle. Selbst in Gipfeln und Höhenlagen von 2.300 Metern konnten die For­sche­r*in­nen noch Pestizide in Pflanzen und im Boden nachweisen, obwohl dort oben keines der Schädlingsbekämpfungsmittel ausgebracht wird.

Versprüht wird die Chemie dagegen reichlich unten in den Tälern. Dort nämlich findet sich das größte zusammenhängende Apfelanbaugebiet Europas; stolze 10 Prozent aller in Europa verzehrten Äpfel stammen aus dem Vinschgau. Damit sind sie ein echter Wirtschaftsfaktor, der pro Jahr mit rund 700 Millionen Euro Umsatz zu Buche schlägt.

Diesem Erfolg wird mit synthetischen Pestiziden kräftig nachgeholfen. Seit Jahren hält Südtirol innerhalb Italiens einen der Spitzenplätze beim Einsatz der Chemie inne: Pro Hektar werden jährlich an die 45 Kilogramm gespritzt, um Pilze, Bakterien und Unkraut zu bekämpfen.

Anhaltende Kritik am Pestizideinsatz

Seit Jahren stößt der Chemieeinsatz auf Kritik. So sorgte im Jahr 2017 das Umweltinstitut München mit Großplakaten, die der Südtiroler Tourismuswerbung nachempfunden waren, für Aufmerksamkeit. Unter dem Motto „Südtirol sucht saubere Luft“ wurde der dortige Pestizideinsatz angeprangert. Auf dem Bild war ein Traktor zu sehen, der auf der Fahrt durch eine Apfelplantage nach Kräften die Pflanzen einnebelte.

Die Südtiroler Landesregierung und die Apfelgenossenschaften reichten Klage gegen Karl Bär vom Umweltinstitut München, gegen sechs Vorstandsmitglieder des Instituts sowie gegen einen Buchautor ein. Der Vorwurf: Verleumdung. Und sie fuhren 1.376 Land­wir­t*in­nen als Ne­ben­klä­ge­r*in­nen auf.

Bei einer Verurteilung hätten Bär und den anderen nicht nur bis zu drei Jahre Haft, sondern auch Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe gedroht. Der Prozess endete jedoch mit Freisprüchen für alle Angeklagten. Karl Bär sitzt mittlerweile für die Grünen im Bundestag.

Methoxyfenozid in fast der Hälfte der Proben

Mit der Studie aus Kaiserslautern und Wien ist die Diskussion wieder eröffnet. Sie widerlegt etwa die Behauptung, die versprühten Chemikalien würden weitgehend in den Plantagen bleiben und nicht in die Umgebung diffundieren. Das Forschungsteam entnahm zahlreiche Bodenproben vom Talboden auf 500 Höhenmetern bis hinauf zu den Gipfeln.

In fast der Hälfte aller Boden- und Pflanzenproben konnten sie das Insektizid Methoxyfenozid nachweisen, das in Deutschland seit 2016 aufgrund der Umweltschädlichkeit nicht mehr zugelassen ist. „Die Konzentrationen, die wir fanden, waren zwar nicht hoch, aber es ist erwiesen, dass Pestizide das Bodenleben schon bei sehr geringen Konzentrationen beeinträchtigen“, erklärt Bodenexperte Johann Zaller von der BOKU.

Die Au­to­r*in­nen der Studie ziehen mehrere Schlüsse aus ihren Ergebnissen. Die Ausbringungsmethoden für die Pestizide müssten sich verbessern. Es müssten jedoch auch neue Wege der ökologischen Bewirtschaftung gesucht werden. Und: Südtirol müsse sich endlich herbeilassen, die tatsächliche Pestizidbelastung flächendeckend zu messen.

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