30 Jahre nach Rostock-Lichtenhagen: Haldenwang warnt vor rechter Gewalt

Der Verfassungsschutzpräsident sieht weiter ein großes rechtes Gewaltpotenzial in Deutschland. Zivilgesellschaft und Behörden müssten wachsam bleiben.

Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), kommt zu einer Pressekonferenz

Auch die Zivilgesellschaft sei im Kampf gegen Rechts gefordert, sagt Thomas Haldenwang Foto: Kay Nietfeld/dpa

BERLIN epd/dpa | Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, hat 30 Jahre nach den rassistischen Krawallen von Rostock-Lichtenhagen vor der fortbestehenden Gefahr durch rechtsextreme Gewalt gewarnt. „Auch 30 Jahre später ist das von Rechtsextremisten ausgehende Gewaltpotenzial hoch, was nicht zuletzt die rechtsterroristischen Anschläge der letzten Jahre belegen“, sagte Haldenwang dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (Mittwoch).

Ereignisse wie in Rostock-Lichtenhagen dürften sich nicht wiederholen. „Dies erreichen wir nur durch ein starkes zivilgesellschaftliches Engagement und ein energisches Vorgehen der Sicherheitsbehörden im Kampf gegen Rechtsextremismus“, sagte Haldenwang. Der Verfassungsschutz sei sich seiner Verantwortung bewusst und handele entschlossen.

Die Integrationsbeauftragte und der Ostbeauftragte der Bundesregierung riefen anlässlich des Jahrestags zum Einsatz für eine wehrhafte Demokratie auf. „Die Angriffe waren eine Schande, ein Tiefpunkt in der Geschichte unseres wiedervereinigten Landes“, schrieben Reem Alabali-Radovan und Carsten Schneider (beide SPD) in einem Gastbeitrag für das Nachrichtenportal t-online. „Wir müssen daraus die richtigen Lehren ziehen und entschlossen handeln.“ Die wichtigste Lehre laute vielleicht: „Die wehrhafte Demokratie, das müssen wir alle sein, als starke Einheit in Vielfalt.“

Konkret fordern die beiden Staatsminister im Kanzleramt unter anderem „mehr Menschlichkeit statt Misstrauen im Asylrecht“ und eine gute Personalausstattung von Polizei und Justiz. Verfassungsfeinde sollten konsequent aus dem Öffentlichen Dienst entfernt werden. Sie unterstreichen auch die Bedeutung von Präventionsarbeit: Der Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung gehöre in jede Schule.

Im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen hatten vom 22. bis 26. August 1992 rechte Gewalttäter das sogenannte Sonnenblumenhaus attackiert, in dem die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber sowie vietnamesische Vertragsarbeiter untergebracht waren. Die Angreifer warfen Steine und Brandsätze, riefen rassistische Parolen und behinderten die Feuerwehr. Vor einem Brand konnten sich Bewohner nur mit Mühe in Sicherheit bringen. Der Polizei gelang es nicht, die Ausschreitungen zu stoppen.

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

Am 22. August 1992 begannen die tagelangen Angriffe auf das Flüchtlingsheim in Rostock-Lichtenhagen. Für die taz berichtete damals die spätere Chefredakteurin Bascha Mika in drei Reportagen von vor Ort. Im ersten Text beschrieb sie, wie Tausende AnwohnerInnen ihre Leute anfeuerten: „Skins, haltet durch!“ Im Bericht vom zweiten Tag erzählt sie, dass sich die Polizei, kurz bevor der erste Brandsatz flog, zum Schichtwechsel zurückzog. In der dritten Reportage schrieb Bascha Mika über die hunderte Rechte, die immer noch zu den mittlerweile leeren Plattenbauten ziehen.

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