EU und Ampel geben Bauernprotesten nach: Unnötiger Deal auf Kosten der Natur

Die Politik schwächt wegen Treckerdemos den Umweltschutz, trotz Arten- und Klimakrise. Und obwohl die Bauern nur wenige Wählerstimmen haben.

Ausgekippte Zuckerrüben liegen auf der Straße.

Landwirte kippen aus Protest eine Ladung Zuckerrüben auf einer Hauptstraße in Brüssel ab Foto: Harry Nakos/dpa/ap

Nun haben die Wutbauern ihren bisher größten Erfolg erzielt: Das Europäische Parlament hat als Reaktion auf die Bauernproteste zugestimmt, dass die wichtigsten Umweltvorschriften für die milliardenschweren EU-Agrarsubventionen gestrichen oder stark abgeschwächt werden.

Wer Direktzahlungen vom Staat erhält, muss jetzt doch nicht mindestens 4 Prozent seiner Ackerfläche etwa für Brachen und Landschaftselemente wie Hecken oder Baumreihen reservieren. Die Regeln für die Fruchtfolge – also dazu, wie oft die Pflanzenart auf einem Acker wechseln muss – werden aufgeweicht. Das gilt auch für das Verbot, Dauergrünland wie Wiesen und Weiden umzubrechen. Und auf Höfen mit höchstens 10 Hektar Agrarfläche sollen die Behörden gar nicht mehr kontrollieren, ob die Umweltvorschriften eingehalten werden – das sind satte 65 Prozent aller Betriebe, mit einer Fläche so groß wie das gesamte Agrarland Deutschlands.

All das ist für die Umwelt katastrophal. Studien zeigen, wie wichtig Ackerbrachen und Land­schafts­elemente sind. Sie bieten Rückzugsräume zum Beispiel für das vom Aussterben bedrohte Rebhuhn oder für Insekten. Eine Fruchtfolge trägt dazu bei, dass weniger Unkraut und Schädlinge die Ernte schmälern; dann können die Bauern umweltschädliche Pestizide einsparen. Grünland muss geschützt werden, weil es erhebliche Mengen Treib­haus­gase speichert.

Herbe Rückschäge

Zur Erinnerung: Die Landwirtschaft trägt maßgeblich dazu bei, dass immer mehr Pflanzen- und Tierarten aussterben. Sie hat ungefähr die Hälfte der deutschen Landfläche unter Beschlag. Auf dieser hat sie immer mehr Hecken beseitigt, den Boden umgebrochen und mit zu viel Chemikalien der Artenvielfalt geschadet. Die Branche verursacht inklusive der Emissionen aus Böden und Maschinen laut Umweltbundesamt 13 Prozent der deutschen Treib­hausgase.

Landwirte haben nur wenige Wählerstimmen, ihre Demos waren im Vergleich zu anderen klein, sie verdienen besser als suggeriert

Anders als der Bauernverband suggeriert, ist der ökonomische Preis der Brachen und Land­schafts­elemente gering. Es gibt sie schon jetzt auf 2 Prozent der deutschen Ackerfläche. Die Bauern müssten also nur 2 Prozentpunkte zusätzlich bereitstellen. Die Ernte dort wäre minimal. Dem durchschnittlichen Bauern geht es wirtschaftlich auch nicht so schlecht, wie oft behauptet wird.

Nicht nur wegen der EU-Subventionen erleidet der Umweltschutz in der Landwirtschaft gerade herbe Rückschläge. Die Ampelkoalition hat auch ihren Plan zurückgenommen, die Befreiung der Kfz-Steuer für landwirtschaftliche Fahrzeuge wie Traktoren zu streichen. Dabei könnte der Staat mit einer am CO2-Ausstoß orientierten Abgabe Anreize setzen, Maschinen mit weniger Emissionen zu entwickeln und zu kaufen.

Hauptsache, die Bauern geben Ruhe

Die EU-Kommission wollte die Mitgliedstaaten eigentlich verpflichten, den Pestizideinsatz und die damit verbundenen Risiken bis 2030 grundsätzlich zu halbieren. Doch der Verordnungsentwurf ist im Parlament krachend gescheitert.

Die Ampel hat jetzt auch ihr Vorhaben verschoben, das Düngerecht zu verschärfen. Aber belastet nicht immer noch zu viel Nitrat das Grundwasser und zum Beispiel Flüsse, was die Artenvielfalt gefährdet? Egal. Hauptsache, die Bauern geben Ruhe.

Die wenigen Fortschritte sind minimal. Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) hat erreicht, dass der Bund ab 2024 die Pflicht einführt, unverarbeitetes Schweine­fleisch damit zu kennzeichnen, wie das Tier gehalten wurde. Flankiert wird das mit Subventionen für bessere Ställe. Aber das betrifft bisher nur einen kleinen Teil des Fleischmarkts. Und: Ob wirklich viele Tiere wegen der Kennzeichnung besser leben werden, ist völlig ungewiss.

Willkommene Anlässe

Die Politik hätte nicht dermaßen vor den Wutbauern einknicken müssen. Sie repräsentieren keinesfalls alle Landwirte, von denen es in Deutschland auch nur noch 255.000 gibt. Auf der größten Bauerndemo Mitte Januar in Berlin waren 8.500 Menschen. Das ist nicht viel im Vergleich beispielsweise zu den Kundgebungen gegen Rechtsextremismus, an denen in mehreren Orten jeweils Hunderttausende teilnahmen.

Die Bauernproteste wären auch ohne den Kniefall vor der Agrarlobby zu Ende gegangen. Denn im Frühjahr müssen echte Bauern wieder aufs Feld. Sie haben dann schlichtweg keine Zeit mehr, mit dem Traktor vor dem Brandenburger Tor zu stehen.

Aber im EU-Parlament gibt es eine rechte Mehrheit, für die die Bauernproteste einen willkommenen Anlass lieferten, den Umweltschutz zurückzudrängen. Genauso wie für die FDP in der Bundesregierung. Die gute Nachricht ist: Das können die Bürger mit ihrer Stimme ändern. Zum Beispiel schon bei der Europawahl am 9. Juni.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.