Radrennen in Ruanda: Aufstieg mit Hindernissen

Für die afrikanischen Radsporttalente ist die Tour du Rwanda eine seltene Gelegenheit für wichtige Erfahrungen. Das Zuschauerinteresse ist groß.

Am Start einer Etappe schauen viele Menschen von den Häusern auf die Radfahrer unter ihnen

Die Tour du Rwanda lockt viele Menschen an die Strecke Foto: Tom Mustroph

Die Radsportbegeisterung ist groß in Ruanda. Sie sieht manchmal ein bisschen gelenkt aus, wenn auch wochentags ganze Schulklassen, gut auszumachen in ihren farbenfrohen Uniformen, aufgereiht am Straßenrand stehen, als seien sie zum Appell beordert. Aber auch Frauen und Männer, die auf eigenen Feldern arbeiten, eilen an die Strecke, wenn das Peloton sich nähert, und winken mit allem, was sie haben – Hände, Hacken oder Hämmer.

Das weckt Erinnerungen an den Genozid in Ruanda, als Hacken auch schlimme Mordinstrumente waren. Ein Mitarbeiter der Gedenkstätte in Murambi sagt zu dieser Assoziation: „Schau, auch unsere Soldaten haben hier Maschinenpistolen wie einst die Regierungstruppen, die beim Genozid gemordet haben. Jetzt aber schützen sie uns.“ Er selbst ist ein Überlebender der Massaker.

Das Fangeschehen rund um die Tour du Rwanda ist auch durch die einheimischen Fußballultras geprägt. Sie sind in den Nationalfarben geschminkt und mit Vuvuzelas ausgerüstet – spätestens seit der Fußball-WM in Südafrika Inbegriff afrikanischer Fußballfankultur.

Die Radprofis sind von alldem sehr angetan. „So viel Zuspruch hat man bei vielen Rennen in Europa nicht“, sagt Vinzent Dorn vom saarländischen Continental Rennstall Bike Aid. Gut, Dorn hat noch keine Tour de France mitgemacht, bei der die Menschen ein wenig gedrängter am Straßenrand stehen. Wünschen würde man das dem Rennstall eigentlich, schon allein wegen deren Mission, in neue Radsportländer vorzudringen, vor Ort zu helfen und vor allem Talenten aus benachteiligten Nationen zum Sprung in den bezahlten Leistungssport zu verhelfen.

Zu wenig Herausforderungen

Zum aktuellen Kader gehören mit Yoel Habteab und Dawit Yemane zwei Männer aus Eritrea. Für sie ist das Rennen auf dem Heimatkontinent ein Groß­ereignis. Sie wollen glänzen. Sprinter Habteab wurde beim Massensprint der 2. Etappe immerhin 14. Vor allem aber haben er und Yemane den Vorteil, bei Rennen in Europa auf Pelotons mit höherer Leistungsdichte zu treffen und sich in diesem Kontext auch technisch-taktisch weiterzuentwickeln. „Daran mangelt es noch bei uns in Eritrea“, sagt Samson Solomon, Trainer der eritreischen Nationalmannschaft, die ebenfalls am Rennen teilnimmt. „Gern hätten wir auch ein UCI-Rennen in Eritrea, damit unsere Talente sich zeigen können und besser den Sprung nach Europa schaffen.“

An Talenten sind vor allem Eritrea und mittlerweile Ruanda reich gesegnet. „Wichtig ist aber, dass du schon in jungen Jahren nach Europa gehst, dort Rennen fährst, dich ans Fahren im Peloton gewöhnst, aber auch ans Wetter und ans andere Essen“, mahnt Tsgabu Grmay. Der Äthiopier hat eine Karriere in der WorldTour hingelegt und will jetzt sein Wissen als Kapitän des Teams des Radsportleistungszentrums vom Weltverband UCI im schweizerischen Aigle weitergeben. „2012 war ich selbst in diesem Zentrum. Wir waren damals die erste Generation. Es gab noch keinen einzigen schwarzen Fahrer im Profipeloton“, blickt er zurück.

Jetzt ist das anders, auch wegen des Leistungszentrums. Seinen jungen und physisch sehr talentierten Teamkollegen will er vor allem mentale Stärke vermitteln. „Du musst für den Radsport brennen, immer alles dafür geben“, sagt er.

Motivationshemmer für afrikanische Sportler gibt es allerdings einige. „Wir bekommen nur Visa für drei Monate. Eine Rennsaison ist aber viel länger. Da haben wir weniger Chancen“, klagt Eric Muhoza. Der Mann aus Ruanda fuhr im vergangenen Jahr noch bei Bike Aid, machte aber auch wegen der Visafrage den Schritt zurück nach Afrika. Er erklärt: „Ich bin jetzt bei Team Amani, einem Gravel Team. Über viele Siege bei den Gravelrennen will ich Worldtour-Teams auf mich aufmerksam machen.“

An der Tour du Rwanda nimmt Muhoza als Mitglied der ruandischen Nationalmannschaft teil und hofft auf Etappensiege und einen guten Platz im Gesamtklassement. Die Rundfahrt endet am Sonntag in Kigali, unter anderem mit einer Bergwertung auf dem Mont Kigali, dem Berg, der auch zum WM-Kurs 2025 gehören wird. Diese Weltmeisterschaft ist ein Fixpunkt für den afrikanischen Radsport. Entweder wird dort die nächste Entwicklungsstufe erreicht oder nach dem Prestigeprojekt werden die Ressourcen wieder abgezogen. Die Prognose ist so ungewiss wie der Ausgang des Rennens auf dem nach Auskunft Ortskundiger bis zu 20 Prozent schweren Anstieg.

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