Debatte um ein Parteiverbot: Mit allen Werkzeugen gegen die AfD

In der Debatte um ein AfD-Verbot fordert Thüringens Innenminister, einen Antrag zu prüfen. Im Bundestag wird Widerstand gegen die Partei angekündigt.

Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, steht mit Kollegen zusammen.

Äußerte sich nicht zum Verbot: Bundesinnenministerin Faeser im Bundestag Foto: Kay Nietfeld/dpa

BERLIN taz | Die AfD-Verbotsdebatte nimmt weiter Fahrt auf. Auch in den Ländern mehren sich Stimmen, die fordern, ein Verbotsverfahren gegen die Partei zu prüfen. „Die AfD ist bei uns in Thüringen vom Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextrem eingestuft“, sagte Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) der taz. „Sie hat das Ziel, die freiheitlich demokratische Grundordnung abzuschaffen. Auch bundesweit gibt es bei der Partei in dieser Frage immer weniger Zweifel.“ Natürlich müsse man die Partei inhaltlich stellen. „Aber wir kommen gar nicht drumherum, auch einen Verbotsantrag zu prüfen.“

Neben der Bundesregierung und dem Bundestag könnte auch der Bundesrat einen Verbotsantrag vor dem Bundesverwaltungsgericht stellen. Vor Maier hatten sich schon Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) und Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) für eine Verbots­prüfung ausgesprochen.

Auch Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) schloss ein Verbotsverfahren nicht aus, verwies aber auf die hohen Hürden und warnte, dieses dürfe „kein Bumerang werden“. Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) forderte, „die Sicherung von Beweisen und die Prüfung auch rechtlicher Mittel, wo unsere Verfassung verteidigt werden muss“. Aber auch sie erklärte, ein Verbotsverfahren dürfe man nur anstoßen, wenn es sicher zum Erfolg führe, sonst verschaffe man der AfD „einen desaströsen Erfolg“.

Am Donnerstag hatten 50 Bundestagsabgeordnete nach einer taz-Umfrage gefordert, ein AfD-Verbotsverfahren zu prüfen. Um das Thema auf die Tagesordnung des Parlaments zu setzen, braucht es 37 Abgeordnete. Offen ist noch, ob sich die 50 Parlamentarier, die sich über alle Fraktionen verteilen, darauf verständigen.

Bundestag verspricht Solidarität

Über den Umgang mit der AfD debattierte am Donnerstag auch der Bundestag in einer Aktuellen Stunde, auf Antrag von SPD, Grünen und FDP. Der Titel: „Wehrhafte Demokratie in einem vielfältigen Land“. Fast alle der demokratischen Red­ne­r*in­nen bezogen sich dabei auf den ersten Artikel des Grundgesetzes, „Die Würde des Menschen ist unantastbar“.

Der SPD-Abgeordnete und Parteivorsitzender versprach Mit­bür­ge­r*in­nen mit migrantischem Familienhintergrund: „Wir passen auf euch auf. Wir werden nicht zulassen, dass diese Menschen vertrieben werden. Wir stellen uns schützend vor unsere Nachbarn, unsere Freunde, unsere Arbeitskollegen.“ Ähnlich äußerte sich Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann.

Wie sie das anstellen wollen? Das wird in weiten Teilen der Debatte nur vage erkennbar. Es brauche eine bessere Politik, forderte der Parlamentarische Geschäftsführer der Union, Torsten Frei, und meint damit vor allem die Bundesregierung. Diese Botschaft vertritt auch Philipp Amthor. Ein Verbotsverfahren gegen die AfD lehnten beide ab, man müsse die Partei „politisch bekämpfen“. Und selbst wenn ein Verbotsverfahren eingeleitet würde, könne dies aus ihrer Sicht nur die Bundesregierung veranlassen.

Immer wieder störte die AfD die Debatte mit Gegenrufen. Teils betont den Red­ne­r*in­nen abgewandt, wirkte es, als würde sie die gereizte Stimmung einiger Parteimitglieder auf die Correctiv-Recherche überspielen wollen. Vize-Fraktionschef Bernd Baumann kehrte das Treffen bei Potsdam unter den Tisch und machte sich in seiner Rede mit der CDU gemein. „Was irgendein Redner vorträgt, kann nicht der CDU oder AfD vorgeworden werden.“ Baumanns abschließende Worte klangen wie eine Drohung: „Der Wind dreht sich. Für Deutschland kommt was Neues, ob sie wollen oder nicht.“

Mehrere Red­ne­r*in­nen der demokratischen Fraktionen kündigten dagegen ihren Widerstand gegen Rechtsextremismus und die AfD-Politik an. Die Frage blieb aber auch hier, wie dieser konkret aussieht.

In der taz-Umfrage hatten sich vor allem Abgeordnete der SPD, Grünen und Linken für eine Prüfung eines AfD-Verbotsantrags ausgesprochen – aber auch drei von der Union und zwei der FDP. In letzteren Fraktionen herrscht insgesamt aber eine große Skepsis bis Ablehnung. Unions-Fraktionschef Friedrich Merz nennt die AfD-Verbotsdebatte eine „Scheindebatte“, die AfD müsse man politisch bekämpfen.

Auch die FDP-Abgeordnete und Spitzenkandidatin zur Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, sagte der taz, sie sei gegen ein Verbot, weil sich die AfD dann in einer Opferrolle inszenieren und dies auf fruchtbaren Boden fallen könnte. „Wir nehmen den Fehdehandschuh auf und werden die AfD politisch stellen als das, was sie ist: keine Alternative, sondern eine Gefahr für Deutschland.“

Die Wagenknecht-Gruppe lehnt ein AfD-Verbot ab

Ablehnend gegenüber einem Verbot zeigen sich auch die Linken-Abtrünnigen um Sahra Wagenknecht. Die Forderung nach einem AfD-Verbot sei „völlig falsch“ und schon die Diskussion darüber gefährlich, erklärte Wagenknecht zuletzt. Unliebsame Parteien zu verbieten, weil sie zu stark würden, sei mit einer freien Gesellschaft unvereinbar. Sevim Dağdelen sagte der taz, die Verbotsdebatte sei „ein hilfloser Versuch, vom Versagen der Ampel abzulenken“. Amira Mohamed Ali erklärte, ein Verbotsverfahren sei der falsche Weg. „Es braucht ein besseres Politikangebot, von dem sich die Menschen wieder wirklich vertreten fühlen.“ Und Christian Leye erklärte, ein Verbotsverfahren wirke, als werfe man „politisch das Handtuch“. Die Ursache für den AfD-Erfolg sei „das Versagen der Politik“ und auch „ein Versagen der Opposition, glaubwürdig für eine andere Politik zu stehen“.

Auch die Bundesregierung äußert sich bisher zurückhaltend zu einem AfD-Verbotsverfahren. Die Pläne der AfD seien ein „menschenverachtender Alptraum, den wir alle gemeinsam verhindern müssen“, sagte SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Donnerstag in der aktuellen Bundestagsdebatte. Deshalb handle die Regierung. Ein Parteienverbot oder ein auch debattierter Grundrechtsentzug bei Staatsfeinden, etwa bei Höcke – zwei demokratische Werkzeuge, die im Grundgesetz verankert sind – spricht Faeser in ihrer Rede nicht direkt an.

Dafür sagte sie, die Regierung nutze alle Instrumente, die der Rechtsstaat zur Verfügung stelle. „Wir zerschlagen rechtsextreme Netzwerke. Wir entfernen Verfassungsfeinde aus dem öffentlichen Dienst. Wir bekämpfen rechte Propaganda und Verschwörungstheorien aller Art.“ Und Faeser versprach, die Opfer rechter Gewalt und die Menschen, die sich bedroht fühlen, nicht alleinzulassen.

Auch die Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grünen) ergriff das Wort und bedankte sich bei den vielen Menschen, die bei den Protesten gegen rechts und gegen die AfD in der vergangenen Woche zu Zehntausenden auf die Straße gingen. „Wir werden die Vielfalt dieses Landes verteidigen“, sagte Paus. Mit dem Demokratiefördergesetz werde man Initiativen noch weiter und besser finanziell stärken.

Skepsis auch in den Ländern

In den Ländern gibt es trotz der jüngsten Vorstöße von Regierungsvertretern wie Georg Maier auch Skepsis. Diese teilt auch Maiers Kabinettskollege, Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), der zuletzt auf die hohen Hürden eines Verbots verwies. Auch Bayerns Markus Söder (CSU), Baden-Württembergs Winfried Kretschmann (Grüne), Brandenburgs Dietmar Woidke (SPD) oder Niedersachsens Stephan Weil (SPD) äußerten sich ablehnend. „Ein gescheitertes Verbot würde dem Rechtspopulismus einen ganz erheblichen Auftrieb verleihen“, warnte Weil.

Auch Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) sagte der taz: „Öffentlich ein Verbot der AfD zu diskutieren, bringt uns in der Sache nicht weiter.“ Bei einem Verbotsverfahren müssten „zu Recht sehr hohe rechtliche Hürden genommen werden“. Bisher seien aber nur drei AfD-Landesverbände – die in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt – vom Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextrem eingestuft worden. „Solange der Bund und die übrigen 13 Bundesländer noch nicht der Einstufung in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen folgen können, bin ich skeptisch, dass die hohen verfassungsrechtlichen Hürden für ein Verbotsverfahren derzeit genommen werden können“, so Schuster.

Georg Maier dagegen forderte, nicht nur die Thüringer Landesregierung, sondern auch die anderen Bundesländer müssten sich über einen Umgang mit der AfD verständigen. Die Entwicklung der Partei sei „brandgefährlich“. „Wir können dem nicht schlafwandlerisch zuschauen.“

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