Die Haushaltseinigung und ihre Folgen: Steilvorlage für die AfD

Das Ende des Haushaltsstreits mag die Ampel-Koalition kurzfristig stabilisieren. Doch die Populisten im Osten reiben sich jetzt schon die Hände.

Habeck, Scholz und Lindner mit bedrückten Mienen in der Seitenansicht

Was haben die denn ausgeheckt? Die Ampel-Spitze um Bundeskanzler Olaf Scholz präsentiert ihren Kürzungsplan für den Haushalt 2024 Foto: Liesa Johannssen/reuters

Kompromisse sind ein Wert an sich. Wenn ein abgebrühter Autokrat wie Viktor Orbán die EU und die anderen 26 Mitgliedsstaaten erpresst, wenn er Menschenleben in der Ukraine aufs Spiel setzt, um die eigenen Interessen durchzudrücken, dann ist man erleichtert, dass die Berliner Ampel anders funktioniert. Dass es SPD, Grünen und der FDP gelungen ist, sich im Haushaltsstreit zu einigen und einen Kompromiss zu schließen.

Was aber nicht automatisch heißt, dass auch der Kompromiss für sich gut ist. Mit ihrer Einigung haben die drei Regierungspartner zwar sich und die Ampel kurzfristig stabilisiert, mittelfristig tun sie sich damit keinen Gefallen. Erst einmal hat nun jede Partei das bekommen, was ihr wichtig ist: Die Sozialdemokraten können sich auf die Schultern klopfen, dass es keinen Sozialabbau geben wird.

Die Grünen freuen sich, dass es endlich an die klimaschädlichen Subventionen geht und der Klimaschutz fast ungebremst weitergehen wird. Und Christian Lindner kann zum Dreikönigstreffen der FDP mit der Botschaft reisen: Die Schuldenbremse bleibt, Steuern werden nicht erhöht.

Doch genau hier liegt das Problem der Einigung. Die Schuldenbremse wird erstens wahrscheinlich doch etwas gelockert, um den Aufbau des überfluteten Ahrtals weiter zu finanzieren. Und falls Orbán sich durchsetzt oder die Republikaner in den USA die Ukraine­hilfen weiter blockieren, fehlen der Ukraine auf einen Schlag riesige Milliardenbeträge, um sich weiter zu verteidigen. Dann wird sich Deutschland ebenfalls in der Pflicht sehen, seine Hilfen zu erhöhen. Wenn also Unionsfraktionschef Friedrich Merz von Trickserei spricht, hat er nicht mal so unrecht.

Besser wäre es gewesen, den Krieg in der Ukraine ebenfalls als Notlage anzuerkennen und die Schuldenbremse so auszusetzen, dass die militärische, humanitäre und wirtschaftliche Hilfe für die Ukraine nicht aus dem Kernhaushalt bezahlt werden muss. Dafür hätte die Ampel gute Argumente gehabt, denn es geht in der Ukraine auch um unsere Sicherheit und die Stabilität in Europa, nämlich darum, dass Putin die Lust daran vergeht, Russlands Nachbarländer zu überfallen und europäische Grenzen neu zu ziehen.

In einer vernünftigen Welt hätte man sich auch vorstellen können, dass die Ampel eine einmalige Vermögensabgabe beschließt

Doch diese Idee haben Scholz, Habeck und Lindner verworfen, um die Dreieinigkeit nicht zu gefährden und der FDP ihre Wir-sind-Schuldenbremse-Party nicht zu vermiesen. Sie gehen einen anderen Weg, und der ist riskant. Um Löcher im Haushalt und im Klima- und Transformationsfonds zu stopfen, wird etwa der CO2-Preis stärker als geplant erhöht. Auch die Ausgaben für den Ausbau der Elektrizitätsleitungen, die Netztentgelte, werden nicht mehr aus der Staatskasse erstattet.

Das heißt, der Strom, das Tanken und das Heizen wird teurer. Und natürlich werden die Unternehmen ihre Mehrkosten ebenfalls an die Ver­brau­che­r:in­nen weitergeben. Der Plan, die steigenden Kosten für den Klimaschutz in Form eines Klimageldes auszugleichen, existiert nur noch auf dem Papier des Koalitionsvertrags. Denn das Geld dafür fehlt schlicht.

In einer vernünftigen Welt hätte man sich auch vorstellen können, dass die Ampel eine einmalige Vermögensabgabe beschließt, dass auch die schätzungsweise 226 deutschen Milliardäre einen stärkeren Beitrag leisten. Zumal wenn das Wort des Jahres „Krisenmodus“ ist, gefolgt von „Antisemitismus“ und „leseunfähig“. Besser lässt sich die Lage nicht zusammenfassen und eine Krisenabgabe kaum begründen.

Ausgerechnet der Antikommunist Konrad Adenauer hatte 1951 vorgemacht, dass es geht, und dem Bundestag ein Gesetz über den Lastenausgleich vorgelegt, das großen Vermögen eine Abgabe auferlegte. Damals besaß das oberste eine Prozent der Bevölkerung ein Viertel des gesamten Vermögens, inzwischen sind es 35 Prozent. Die Ungleichheit ist gewachsen, genauso wie die Vermögen, aber das beeindruckt die FDP und ihren Finanzminister nicht.

Nun kann Lindner noch so sehr betonen, dass im kommenden Jahr Steuererleichterungen greifen, SPD und Grüne noch so sehr bestätigen, dass das Bürgergeld bleibt und sie weiter das Klima retten können. Die populistische Botschaft wird sein: Wir liefern Waffen an die Ukraine, machen Klimaschutz und der Ottonormalverbraucher (gegendert wird nicht!) muss es bezahlen.

Die Kreativabteilungen der AfD in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, wo im nächsten Jahr gewählt wird, sammeln wahrscheinlich schon die besten Sprüche, um Klimaschutz, Ukrainehilfen und natürlich die Ampel ordentlich zu verhetzen. Leider ist zu befürchten, dass sie verfangen und die AfD im nächsten Jahr die Gewinnerin ist. Eine Partei, die weder sozialen Zusammenhalt noch Klimaschutz will und die im Kern, so wie Orbán, einen autoritären Staat anstrebt – ohne Kompromisse.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.