EU-China-Gipfel: Trostpflaster aus Peking

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen fordert einen faireren Zugang zum chinesischen Markt. Peking zeigt sich unter Druck bereit für Kompromisse.

Ein Arbeiter in der Produktionshalle einer Autofabrik

Gegenseitige Abhängigkeit: Hier in einer Fabrikhalle des Joint-Ventures FAW-Volkswagen in Changchun Foto: Yan Linyun/imago

PEKING taz | Vor dem ersten EU-China-Gipfel seit 2019 liegen Katerstimmung und Zuversicht nah beieinander. Zwar mussten viele europäische Unternehmen in den letzten Jahren beobachten, wie sie in kürzester Zeit von der chinesischen Konkurrenz und einer zunehmend nationalistischen Industriepolitik abgehängt worden sind. Doch gleichzeitig ist das Reich der Mitte ebenfalls ökonomisch angeschlagen – und derzeit wohl so abhängig von seinem größten Handelspartner wie nie zuvor.

Schließlich sind es vor allem europäische Konsumenten, die die exportgetriebene Volkswirtschaft Chinas weiter stützen. „Es gab nie einen besseren Zeitpunkt, Forderungen zu stellen“, sagt Jens Hildebrandt von der Deutschen Handelskammer in Peking.

Und die Liste an Themen, die Ursula von der Leyen, Charles Michel und Josep Borrell bei ihrem Staatsbesuch am Donnerstag mitbringen werden, ist lang: An vorderster Stelle stehen die unausgeglichenen Handelsbeziehungen, die sich im Vorjahr in einem Handelsdefizit von knapp 400 Milliarden Euro äußerten. Menschenrechte werden zwar ebenfalls angesprochen, wie es von EU-Vertretern heißt. Doch im Zentrum stehen sie ganz offensichtlich nicht. Politisch dominiert Chinas enge Partnerschaft gegenüber Russland die Agenda, die zumindest indirekt Putins Kriegsmaschinerie am Laufen hält.

Brüssel hofft darauf, dass China endlich Druck auf Russland ausüben wird. „Wir wissen, dass China mit dem Krieg nicht einverstanden ist“, sagt ein EU-Vertreter mit Bitte um Anonymität. Doch gleichzeitig ist ebenso Fakt, dass die meisten sogenannten „Dual use“-Güter, die sowohl für zivile als auch militärische Zwecke eingesetzt werden können, über China nach Russland gelangen.

Chinesische E-Autos werden kommen

Das mit Abstand größte Streitthema zwischen Brüssel und Peking betrifft jedoch die ungleichen Marktbedingungen. „Wir dürfen nicht länger zulassen, dass europäische Unternehmen in China in einigen Bereichen nicht auf die gleichen Wettbewerbsbedingungen treffen wie die chinesische Wirtschaft, während chinesische Firmen den europäischen Markt voll ausschöpfen können“, sagt Hildebrandt von der Deutschen Handelskammer.

Wie schwierig dies in der Umsetzung sein wird, zeigt sich allerdings am Beispiel E-Mobilität. Wer sich die aktuellen Zahlen der chinesischen Autohersteller anschaut, der kann nur staunend den Hut ziehen: Allein in der letzten Novemberwoche hat Marktführer BYD knapp 50.000 Fahrzeuge verkauft. Volkswagen, neben Tesla der derzeit einzige ausländische Anbieter mit nennenswertem Absatz, kommt in China mit 5.600 verkauften Einheiten nur auf ein Zehntel davon. Bereits 2025 werden die Mehrheit der verkauften Neuwagen in China E-Autos sein. Die günstigen und technisch überlegenen Elektro-PKWs aus China werden den europäischen Markt schon bald überfluten. Es stellt sich deshalb die Frage, wie die EU mit der Expansion um­gehen wird.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat bereits eine Untersuchung wegen wettbewerbsverzerrender Subventionen eingeleitet, mit denen die chinesische Regierung ihre Industrie aufgebaut hat. „Ganze Industrien und Wertschöpfungsketten, für die China früher auf den Rest der Welt angewiesen war, werden zunehmend ins eigene Land verlagert“, sagte von der Leyen bereits Mitte November.

Doch wirklich gleiche Rahmenbedingungen würde bedeuten, dass Brüssel die chinesischen Autobauer zu lokalen Joint Ventures zwingt, ehe sie Zugang zum europäischen Markt haben können. Genauso ist Peking seinerseits mit ausländischen Marken verfahren. In der Praxis ist dies allerdings kaum möglich – vor allem, weil ein solcher Protektionismus gegen die Regeln der Welthandelsorganisation WTO verstoßen würde.

Angst vor Vergeltungsmaßnahmen bei Abschottung

Zudem wollen auch europäische Unternehmen keine Abschottung, denn sie fürchten insbesondere ökonomische Vergeltungsmaßnahmen der chinesischen Regierung. „Wir hoffen, dass keine Handelskonflikte heraufbeschworen werden, denn die deutsche Wirtschaft braucht offene Märkte“, sagt auch Hildebrandt von der Handelskammer. Im Vorfeld des Gipfels hat die chinesische Regierung einige teils überraschende Zugeständnisse abgeliefert.

So hob Peking zuletzt seine – offiziell nie bestätigten – Handelsbeschränkungen gegenüber Litauen auf, mit denen die Volksrepublik die engen Beziehungen des baltischen Staats zu Taiwan abstrafen wollte. Ebenso führte China eine visafreie Einreise für Staatsbürger aus Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und den Niederlanden ein.

Die Maßnahme wird jedoch auch mit Argusaugen betrachtet. „Wir sollten uns auch darüber im Klaren sein, dass sie Teil eines Plans ist, welcher die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Agenda für wirtschaftliche Sicherheit und Risikominderung neutralisieren soll“, kommentiert etwa Mathieu Duchâtel vom Institut Montaigne mit Sitz in Paris. Viele europäische Beobachter werten Pekings Zugeständnisse vor allem als Beleg dafür, dass man zwar gewillt ist, kleine Trostpflaster zu verteilen, die strukturellen Ungleichgewichte jedoch unangetastet lassen möchte.

Von der Leyen präsentiert sich selbstbewusst

Kurz vor ihrem Flug nach Peking gab sich Ursula von der Leyen demonstrativ selbstbewusst: „Die Staats- und Regierungschefs in Europa werden das Ungleichgewicht in den Handelsbeziehungen langfristig nicht dulden“, warnte die Kommissionspräsidentin am Dienstag. Peking habe sich nun zu entscheiden, ob es eine Verhandlungslösung wolle. Andernfalls werde die EU ihre Instrumente zum Schutz des europäischen Marktes ausschöpfen.

Doch Außenamtssprecher Wang Wenbin zeigte sich am Mittwoch gänzlich unbeeindruckt. „China strebt niemals absichtlich einen Handelsbilanzüberschuss an“, sagte er. Man heiße alle Länder willkommen, den riesigen Markt Chinas besser zu nutzen. Für ausländische Firmen, die in den letzten Jahren durch diskriminierende Regulierungen und öffentliche Auftragsvergaben aus dem Markt gedrängt wurden, mag dies wie purer Hohn klingen.

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