Sturmflut an der Ostsee: Schäden gehen in die Millionen

Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern erlebten eine außergewöhnlich starke Sturmflut. Ein Mensch starb, in Flensburg stand ein Teil der Stadt unter Wasser.

Wellen brechen gegen einen Leuchtturm in der Dämmerung

Riesenwellen schlagen über den Leuchtturm in Sassnitz Foto: Stefan Sauer/dpa

KIEL/ECKERNFÖRDE/FLENSBURG/ROSTOCK dpa/afp | – Eine schwere Sturmflut mit außergewöhnlich hohen Wasserständen hat an der Küste Schleswig-Holsteins Millionenschäden angerichtet. Zahlreiche Menschen mussten wegen Überschwemmungen ihre Häuser verlassen. An mehreren Stellen brachen Deiche oder wurden überspült. Mecklenburg-Vorpommern kam dagegen glimpflicher davon.

In Flensburg war der Wasserstand nach Angaben des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in der Nacht zum Samstag auf 2,27 Meter über dem Normalwert gestiegen. Teile des Hafengebiets waren überflutet. Es war ein Jahrhunderthochwasser für die Fördestadt. 1904 wurden dort 2,23 Meter gemessen.

Aus Sicherheitsgründen schalteten die Stadtwerke den Strom in den betroffenen Bereichen ab. Etwa 250 Kräfte waren im Einsatz. In Eckernförde hatte der Höchstwert bei etwa 2,1 Metern über Normal gelegen. Am Morgen sanken die Wasserstände mit dem Abflauen des Sturms überall deutlich.

Im Kreis Rendsburg-Eckernförde war am Freitagabend Katastrophenalarm ausgelöst worden. In der Altstadt von Eckernförde gab es freiwillige Evakuierungen, wie eine Sprecherin des Innenministeriums sagte. Ein Schulzentrum diente als Notquartier. Auch in weiteren Orten wie Brodersby und Arnis brachten Hilfskräfte Bewohner in Sicherheit.

In Ostholstein wurden mehrere Strandwälle von den Fluten durchbrochen und Deiche beschädigt. In Maasholm an der Schlei brach ein Deich. In Schleswig wurde der Hafen überflutet, der Strom wurde abgestellt. Feuerwehr, Rettungsdienste, Polizei und Technisches Hilfswerk (THW) waren mit einem Großaufgebot von Kräften im Einsatz. An bedrohten Deichen wurden Sandsäcke aufgestapelt.

Die schleswig-holsteinische Landeshauptstadt gab Entwarnung. „Kiel ist im Vergleich glimpflich davon gekommen“, erklärte der Amtsleiter der Kieler Feuerwehr, Thomas Hinz. Er sprach von einem „mittleren bis starken Herbststurm mit umgestürzten Bäumen und erhöhtem Einsatzaufkommen“. Menschen seien in Kiel nicht verletzt worden; die Sachschäden beschränkten sich laut Hinz auf „gekenterte Boote, vergessene Strandkörbe und wenige Gebäudeschäden“.

Verärgert zeigte sich der Kieler Feuerwehr-Chef Hinz über den Leichtsinn einiger Bürgerinnen und Bürger. „Leider hatten wir öfter mit so genannten Hochwassertouristen zu tun, die auf der Suche nach dem spektakulärsten Foto zu dicht an das Hochwasser getreten sind.“ Dies habe mehrere Einsätze ausgelöst.

Autofahrerin wird von Baum erschlagen

Auf der Ostseeinsel Fehmarn war es am Freitagnachmittag zu einem tödlichen Unglück im Sturm gekommen. Eine 33 Jahre alte Frau wurde in ihrem Auto von einem umstürzenden Baum erschlagen.

Die Feuerwehr Rostock verzeichnete 19 Einsätze in Sturm und Hochwasser. Bereits am Freitagmorgen sicherten die Einsatzkräfte ein sinkendes Schiff im Stadthafen. Neben umgestürzten Bäumen und herabgefallenen Ästen gab es Verkehrsunfälle. In Rostock erreichte der Pegelstand in der Nacht knapp 1,50 Meter über dem Normalwert.

Der Bahnverkehr, der am Freitagabend auf mehreren Regionalstrecken in Schleswig-Holstein eingestellt worden war, lief am Samstag wieder an. Einschränkungen gab es noch beim Schiffsverkehr zu den Nordseeinseln und –halligen. Der Sturm hatte das Wasser aus dem Wattenmeer gedrängt und für extremes Niedrigwasser gesorgt.

Der Fährverkehr zwischen Deutschland und Dänemark lief am Samstag wieder an. Wie die Reederei Scandlines mitteilte, fuhren auf der Strecke Puttgarden-Rødby seit dem frühen Morgen wieder Schiffe. Der Fährbetriebe auf der Linie Rostock-Gedser sollte ab 11.15 Uhr wieder aufgenommen werden.

Erst wenn das Wasser abgelaufen ist, können Experten damit beginnen, Schäden zu erfassen. Neben Deichen und Hochwasserschutzanlagen sind auch Hafenanlagen, Uferbefestigungen und Gebäude betroffen. Hohe Kosten verursachen Sturmfluten an Stränden, wenn diese zum Teil ins Meer gerissen und später wieder aufgefüllt werden müssen. Der Leiter des Stabes Katastrophenschutz im Innenministerium Schleswig-Holsteins sprach in der Nacht von Schäden in dreistelliger Millionenhöhe.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat sich nach der schweren Sturmflut beeindruckt von der Solidarität der Menschen in der Region gezeigt. „Was die Menschen an der Ostseeküste und speziell ganz im Norden in den letzten Tagen erleben mussten, ist furchtbar“, sagte der Bundestagsabgeordnete aus Flensburg am Samstag. „Die Natur hat getobt und gezeigt, wie unbändig ihre Kräfte sind. Meine Gedanken sind bei den vielen vom Hochwasser betroffenen Menschen.“ Habeck dankte allen Einsatzkräften.

Ausgelöst wurden Sturm und Sturmflut nach Angaben des Deutschen Wetterdiensts durch starke Luftdruckunterschiede zwischen einem Tief über Westeuropa und einem ausgeprägten Hoch über Skandinavien. Auch in Schweden, Dänemark und in Großbritannien gab es deshalb Unwetteralarm.

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