Filmkritik zu „Mission: Impossible 7“: Tom Cruise als Tom Cruise

Im neuen „Mission: Impossible“ sieht man wohl den größten Stunt der Filmgeschichte. Für die (wenige) filmische Handlung ist er völlig irrelevant.

Tom Cruise hängt in der Luft, hält sich an einem offenem Flugzeug fest, jemand streckt seine Hand nach ihm aus

Tom Cruise springt, fliegt, rennt, rast und macht alle Stunts selbst Foto: Paramount Pictures Germany

Tom Cruise rennt. Er rennt durch Gassen, auf Zügen, in der Wüste und auf (ja, auf!) dem Flughafen von Abu Dhabi. Und wenn er nicht rennt, dann rast er mit dem Auto durch Rom oder springt mit dem Motorrad von hohen Bergen.

Er tut also das, was man in den letzten Jahren von Cruise und seinen Filmen gewohnt ist. Er tut es – so betont er immer wieder –, um das Kino zu retten, die Menschen nach der Coronakrise und im Angesicht der Konkurrenz durch die Streamer vor die große Leinwand zurückzuholen. Der letztjährige Erfolg der Top-Gun-Fortsetzung „Maverick“ hat ihm quasi recht gegeben. Auch der nun ins Kino kommende siebte Teil der „Mission: Impossible“-Reihe ist ein designierter Hit. Aber kann man dieses Ego-Spektakel mit gutem Gewissen noch als Film bezeichnen?

Als Cruise vor fast 30 Jahren mit der „Mission: Impossible“-Reihe begann, stellte sich diese Frage nicht. Brian De Palma inszenierte damals einen klassischen Spionagefilm, in dem der von Cruise gespielte Agent Ethan Hunt zwar jederzeit im Mittelpunkt stand, aber doch Teil eines großen Ganzen war. Seitdem ist der Star, der im wirklichen Leben nicht nur durch seine Rolle in der Scientology-Sekte oft missionarische, um nicht zu sagen messianische Attitüden nachgesagt werden, immer mehr zum alleinigen Zentrum der Reihe geworden.

Und im Zentrum der Filme und vor allem des Marketings standen zunehmend spektakuläre Stunts. Mit größter Pene­tranz wird betont, dass Cruise sie selber durchgeführt hat: Cruise hangelt am Burj Khalifa, dem höchsten Gebäude der Welt, rum, Cruise hält für eine Unterwasserszene sechs Minuten die Luft an, Cruise hängt außen an einem startenden Flugzeug und nun: Cruise springt mit einem Motorrad von der Klippe!

Von filmgeschichtlicher Relevanz und lebensgefährlich

Seit einem halben Jahr kann man sich das Video von diesem Stunt im Internet anschauen, kann hören, wie Regisseur Christopher McQuarrie bedeutungsschwer behauptet, dies sei der größte Stunt der Filmgeschichte. Oder man glaubt Cruise selbst, der mit den Worten zitiert wird, der Stunt sollte gleich am ersten Tag der Dreharbeiten durchgeführt werden, damit man, falls der Star den Stunt nicht überleben sollte, umdisponieren könnte.

Verräterischerweise heißt es im selben Interview, dass der Stunt auch deswegen am ersten Tag gedreht wurde, damit genug Zeit blieb zu überlegen, wie er in den Film integriert werden sollte. Eine Denkanstrengung, die offenbar wenig Erfolg hatte: Im Film selbst verpufft diese Szene, dauert kaum fünf Sekunden. Warum macht man also so viel Wirbel um einen Stunt, der für die Handlung des Films vollkommen irrelevant ist? Die Antwort ist zweiteilig: Erstens wird der Stunt gedreht, eben weil er im Vorfeld für Wirbel sorgt und zweitens, weil die Handlung der „Mission: Impossible“-Filme inzwischen praktisch keine Rolle mehr spielt.

Zugegebenermaßen war Handlung nie das wichtigste Element der Reihe, stets ging es irgendwie um einen Gegenstand, den das Team um Ethan Hunt stehlen oder wiederfinden musste, um eine wie auch immer geartete Katastrophe zu verhindern. Ein klassischer MacGuffin, wie einst Alfred Hitchcock ein Storyelement nannte, das die Geschichte zwar antreibt, aber letztlich nicht wirklich von Bedeutung ist.

Hier ist der MacGuffin nuneine künstliche Intelligenz, die Entität. Sie ist drauf und dran, die Weltherrschaft zu übernehmen. Da nun eine KI ein nicht wirklich interessanter, physischer Gegner ist, wird ein menschlicher Gegenspieler namens Gabriel (Esai Morales) eingeführt. Er trägt nicht nur einen biblischen Namen, sondern ist auch wie alle Figuren auf der Jagd nach einem Doppel-Schlüssel in Kreuzform.

Ethan Hunts Entourage

An biblische Plagen soll das erinnern. Eine Plage, die nur von Hunt gestoppt werden kann. Doch viel wichtiger als die Rettung der Welt sind diesem seine Freunde; die beiden Sidekicks Luther Stickell (Ving ­Rhames) und Benji Dunn (Simon Pegg) und die Frau an seiner Seite beziehungsweise diesmal zwei Frauen.

Zur bekannten Ilsa Faust (Rebecca Ferguson) gesellt sich diesmal eine grazile Diebin, die deswegen sinnigerweise Grace (Hayley Atwell) heißt. So beeindruckt scheint Ethan Hunt von ihr, dass er nicht nur einmal betont: „Dein Leben ist mir immer wichtiger als mein eigenes.“ Scheint zwar nicht unbedingt die sinnvollste Berufseinstellung für einen Geheimagenten zu sein, aber soll dem Geschehen offenbar eine gewisse emotionale Tiefe verleihen.

Das scheitert allerdings daran, dass sich das siebte „Mission: Impossible“-Abenteuer oft wie eine Selbstparodie anfühlt, die bekannte Muster, Versatzstücke und Handlungselemente variiert. Vom üblichen Versteckspiel mit Masken, dem Entschärfen von Bomben in allerletzter Sekunde bis zu Verfolgungsjagden im Auto, im und auf einem Zug und zu Fuß.

„Wir sind verdammt, uns zu wiederholen“, sagt der nominelle Bösewicht Gabriel einmal zu Hunt, bevor sie sich einmal mehr im Faustkampf duellieren. Man würde das gerne als selbstreflexiven Moment verstehen, ebenso wie die Anspielungen auf frühe „Mission: Impossible“-Filme, die die Serie scheinbar zu einem runden Ende führen sollen, wenn im nächsten Jahr mit dem achten Teil endgültig Schluss ist. Sicher? Vor ein paar Tagen bemerkte Cruise, er bewundere den Indiana-Jones-Darsteller Harrison Ford und wie dieser auch mit 80 Jahren noch in seiner bekanntesten Rolle auftreten möchte.

Nach diesem Film weiß man nicht recht, ob man das als Versprechen auffassen soll oder als Drohung.

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