Klüger werden durch Google: Kannst du vergessen

Ich dachte, dass wir unser Gesamtwissen durch die Googelei erweitern würden. Das Gegenteil stimmt. Wissenschaftler sprechen gar von Digitaler Amnesie.

Der Fragesatz "Was sind Akren?" steht im Suchfeld der Google-Suchmaschine geschrieben.

Keine nachhaltige Hilfe bei dem Projekt, klüger zu werden: Googlen im Alltag Foto: dpa | Rolf Vennenbernd

Fast alles, was einem auf die Schnelle nicht einfällt, kann man googeln – toll! Nur die Namen der Kinder unserer Freunde oder wo sich gerade mein Haustürschlüssel befindet – das weiß das Internet leider nicht.

Ich dachte lange Zeit, dass wir unser Gesamtwissen durch die Googelei erweitern würden. Stimmt aber nicht. Im Gegenteil. Wissenschaftler sprechen sogar von Digitaler Amnesie. Unser Gehirn spart nämlich Ressourcen und merkt sich den ganzen Schrodder gar nicht mehr, den wir jederzeit im Internet nachsehen könnten. Genaueres über die Studie, die das belegt, erinnere ich nicht. Hab’s halt irgendwo im Internet gelesen.

Mir nicht mehr den Kopf zerbrechen zu müssen, wenn mir ein Schauspielername nicht einfällt, finde ich praktisch. Ich habe aber festgestellt, dass es nicht schadet, so etwas nicht nachzuschlagen. An den Moment, in dem mein Gehirn mitten in der Nacht plötzlich den Namen „Daniel Brühl“ auswirft, kommt ein Google­suchergebnis ohnehin nie heran.

Ob ich mir aber offline Informationen aus Büchern wirklich besser merken kann als online erworbene, bezweifle ich. Auf jeden Fall habe ich neulich – wie jedes Jahr – in meinem analogen Pflanzenführer nachgeschaut, wie diese kleinen weißen Blumen am Waldrand heißen.

Für völlig sinnlos bei der Beantwortung von Alltagsfragen halte ich offene Internetforen. Einmal hatte ich eine große Menge an frischen Erdbeeren zur Verfügung. Als nachts um zwei Uhr wirklich alle Bäuche und Behältnisse mit Erdbeeren in jeglicher Form gefüllt waren, hatte ich immer noch welche übrig.

Unser Gehirn merkt sich den Schrodder nicht mehr, den wir im Internet nachsehen könnten

Also erkundigte ich mich bei gutefrage.net, ob die Früchte besser bei Kühlschrank- oder Raumtemperatur aufbewahrt werden. Die meisten der Diskussionsteilnehmer begannen ihre Beiträge sinngemäß mit den Worten: „Ich kenne mich damit zwar nicht aus, aber …“, und die restlichen klugscheißerten, man dürfe Erdbeeren gar nicht lagern, sondern müsse sie sofort verzehren. Dazwischen kam es zu Gelaber über Autos und Haustiere. Als das jemand bemängelte, fingen alle an, sich gegenseitig zu beschimpfen.

Bei Google ist das viel bequemer. Man bekommt nicht nur einfache Antworten, sondern sogar die Fragen angeboten. Wenn ich die Worte „Wie lange hält“ eingebe, sind die ersten drei Vorschläge: „Fleischwurst im Kühlschrank?“, „eine Autobatterie?“ „Botox?“ Das finde ich beruhigend, da offensichtlich aus meinen Cookies keine verwertbaren Informationen über mich gesammelt werden konnten.

Neulich habe ich mal wieder „Pfingsten“ gegoogelt, weil ich immer vergesse, was man da eigentlich feiert. Dazu wurde mir ein Kasten mit einer Reihe schöner Fragen zum Thema angezeigt. Zum Beispiel: „Was ist der Unterschied zwischen Himmelfahrt und Pfingsten?“ Die mitgelieferte Antwort dazu lautete: „Pfingsten ist zehn Tage nach Himmelfahrt“.

Eine Antwort darauf, ob Jesus eigentlich mit einer Kiste Bier im Bollerwagen in den Himmel aufgefahren ist, hatte Google nicht für mich. Dafür aber die Vermutung, mich könnten folgende Fragen interessieren: „Ist an Christi Himmelfahrt alles zu?“, oder: „Wann ist der offizielle Vatertag?“

Ich wüsste gerne, wie Google die Fragen und Antworten generiert. Aber es war wahrscheinlich naiv, das googeln zu wollen. Antworten wie: „Die PAA Boxes sind, genau wie Featured Snippets SERP Funktionen“ zwingen mich in die Google Endlosschleife. Also muss ich mein eigenes Gehirn bemühen: Wenn genug Leute im Netz Schwachsinn verbreiten, müssen zwangsweise die generierten Fragen und Antworten schwachsinnig sein. Aber weil sich das ganze Zeug ohnehin keiner merkt, ist das wohl egal.

Mir nicht egal ist Folgendes: Die Blumen am Wegesrand heißen Buschwindröschen, an Pfingsten war die Sache mit den feurigen Zungen vom Himmel (als Zeichen für die Apostel in die Welt hinauszugehen und von Jesus zu erzählen) und mein Schlüssel lag im Gemüsefach.

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Geboren 1973 in Hamburg. Seit sie Kinder hat schreibt die Bilderbuchillustratorin hauptsächlich Einkaufszettel und Kolumnen. Unter dem Titel „Die schwer mehrfach normale Familie“ erzählt sie in der taz von Ihrem Alltag mit einem behinderten und einem unbehinderten Kind. Im Verlag Freies Geistesleben erschienen von ihr die Kolumnensammlungen „Willis Welt“ und „Wo ein Willi ist, ist auch ein Weg“. Ihr neuestes Buch ist das Kindersachbuch „Wie krank ist das denn?!“, toll auch für alle Erwachsenen, die gern mal von anderen ätzenden Krankheiten lesen möchten, als immer nur Corona. Birte Müller ist engagierte Netzpassivistin, darum erfahren Sie nur wenig mehr über sie auf ihrer veralteten Website: www.illuland.de

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