Co­ro­na:­ Schicksa­le statt nur Studien

Gesundheitsminister Lauterbach setzt bei der neuen Coronakampagne auf lebensnahe Geschichten. Darunter auch die von Long-Covid-Betroffenen

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD): Hoffen auf mehr Impfwillige   Foto: Michael Kappeler/dpa

Von Linda Gerner

Eine Angstkampagne soll es nicht sein, aber die Dringlichkeit des Impfens sichtbar machen: „Hallo, mein Name ist Margarete Stokowski. Und ich bin das Abschreckungsbeispiel für Long Covid.“ Mit schwarzem Hoodie und sichtlich angestrengt berichtet die Spiegel-Kolumnistin und ehemalige taz-Autorin in Berlin von ihrer Erkrankung. 264 Tage sind seit ihrer Corona-Infektion im Januar 2022 vergangen. Bis heute kann sie nicht wieder arbeiten und ihren Alltag bewältigen wie vor ihrer Erkrankung. Auf ihren Social-Media-Kanälen teilt sie ihre Erfahrungen mit der Krankheit. Sie live über ihre Long-Covid-Symptome wie Herzrasen, „die täglich krassen Kopfschmerzen“ oder Wortfindungsstörungen sprechen zu hören, gibt einen schmerzhaften Eindruck der Folgen einer Corona-Erkrankung.

Neben ihr sitzt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Zum Start der Corona- und Impfkampagne „Ich schütze mich“ seines Ministeriums fasst er zusammen, wie sich die Wahrnehmung der Pandemie in Deutschland verändert hat. Es „bestürze“ ihn, dass viele Leute bei den Coronasterbezahlen kritisch nachfragten, ob das nicht ohnehin „nur“ alte oder kranke Leute gewesen seien. Oder ob diese wirklich „an – oder nur mit Corona“ gestorben seien. So hätten die meisten bisher nicht gedacht. Doch statt Solidarität gebe es jetzt Defätismus. Maßnahmen zur Eindämmung? Das bringt nichts mehr.

Statt auf die Studienlage zu pochen, setzt Lauterbach mit der neuen Coronakampagne auf Geschichten von Menschen. 84 Personen erzählen stellvertretend für 84 Millionen Menschen in Deutschland, warum sie sich vor Corona schützen. Mit TV-Spots, Plakaten und Social-Media-Posts will Lauterbachs Ministerium für die Impfung mit dem Omikron-Impfstoff werben, aber auch für das Tragen von Masken. Erneut wiederholte er seinen Appell an die Bundesländer, von der Maskenpflicht in Innenräumen Gebrauch zu machen, wie es das Infektionsschutzgesetz vorsehe. Das sei eine niederschwellige Maßnahme und könnte stärkere Einschränkungen verhindern: „Die Richtung, in die wir unterwegs sind, ist keine gute“, mahnte Lauterbach.

In den Erzählungen der Impfkampagne sind auch Long-Covid-Betroffene dabei. Stokowski allerdings nicht. Das schaffe sie aktuell nicht, sagt die Autorin. Sie kritisiert aber die schlechte Versorgungslage von Long-Covid-Patient*innen in Deutschland. Ärz­t*in­nen würden Betroffene nicht ernst nehmen, die Sprechstunden seien überlaufen. Zudem hätte sie viel Geld ausgegeben, um sich Linderung zu verschaffen. Das könnten sich viele Menschen nicht leisten.

Im Fokus der Kampage steht vor allem die Impfung gegen Corona. Eine Zielquote setzt sich das Ministerium aber nicht. Man wolle vor allem für die vierte Impfung bei den über 60-Jährigen werben, wie sie die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt. Wie gut die insgesamt 32,7 Millionen Euro für die Kampagne – nach Aussage Lauterbachs also rund 40 Cent pro Bun­des­bür­ge­r*in – investiert sind, wird sich erst zeigen.