Trotz aller Hürden

Auswahl für das Theatertreffen in Berlin vorgestellt

So viele Theaterprojekte liegen auf Eis, so viele Künst­le­r:in­nen durften nicht arbeiten in den 12 zurückliegenden Monaten, die den Zeitraum der Auswahl für das Theatertreffen ausmachten. Gerade mal drei bis vier Monate konnte Theater live gesehen werden. Ist denn da ein Theatertreffen sinnvoll, ein Festival, das das Spannendste einer Spielzeit versammeln will? Das hat die siebenköpfige, aus Thea­ter­kri­ti­ke­r:in­nen bestehende Jury, die am Dienstag ihre Auswahl vorstellte, oft diskutiert und kam zu einem Ja! Weil es zu würdigen gilt, was trotz schwieriger Bedingungen entstanden ist. Weil die Einengung der Möglichkeiten neue Formen hervorgebracht hat. Weil man gerade jetzt nicht auf die Chance verzichten sollte, Neuentdecktes breiter bekannt zu machen. Weil für den Theaterbetrieb in einer Situation, in der Legitimations- und Finanzdruck vorhersehbar zunehmen werden, der Glanz eines Festivals wichtige Werbung ist.

Gute Gründe also, am Thea­ter­tref­fen in Berlin festzuhalten. Man hofft auf eine Live-Version im Mai, für alle Fälle wird aber auch eine digitale Variante geplant. Die vorgestellte Auswahl spricht für diese Entscheidung, vieles macht neugierig. Sechs von zehn Inszenierungen kommen von Regisseurinnen, die Frauenquote wurde um zwei Jahre verlängert.

Direkt um die Geschichte vergessener Frauen geht es in „Name her“ von Marie Schleef (Ballhaus Ost und Koproduzenten), einer Lecture-Performance über Komponistinnen, Wissenschaftlerinnen, Ingeneurinnen, Heldinnen des Alltags, von Anne Tismer in vier Kapiteln performt. Wiederentdeckt wird die linke und jüdische Autorin Anna Gmeyner mit ihrem Stück „Automatenbüffet“, von Barbara Frey in Wien inszeniert. Eine Neuentdeckung ist auch das Duo Lucy Wilke und Paweł Duduś, das in einer sehr sinnlichen, auf der Sprache der Berührung basierenden Performance von seiner Freundschaft erzählt in „Scores that shaped our friendship“ (schwere reiter, München).

Direkt mit den Bedingtheiten des Kunstmachens in Zeiten der Pandemie spielt „Show Me A Good Time“ von Gob Squad (HAU Berlin u. a.), eine Mischung aus Kunst und Quatsch, vom Ausharren in leeren Theatern, vom gemeinsamen Lachen alle 30 Minuten, „ein Sinn- und Abbild des Coronajahres“.

Eingeladen sind auch „Reich des Todes“ von Rainald Goetz, in Hamburg von Karin Beier inszeniert, „Einfach das Ende der Welt“ von Christopher Rüping aus Zürich, „Der Zauberberg“ von Sebastian Hartmann aus dem Deutschen Theater Berlin. Insgesamt zeigt die 10er-Auswahl eine gute Mischung aus bekannten Stimmen und neuen Auftritten.

Katrin Bettina Müller