Krieg in Äthiopien
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Abiy meldet Sieg

Tigrays Führung kämpft trotzdem weiter

Von Ilona Eveleens, Nairobi

Äthiopiens Ministerpräsident Abiy Ahmed hat den Sieg im Krieg gegen die Regionalregierung der Region Tigray verkündet – die gewalttätigen Auseinandersetzungen sind offenbar aber nicht vorbei. Kurz nachdem Abiy am Samstag erklärte, dass die äthiopischen Regierungstruppen Tigrays Hauptstadt Mekelle unter „vollständiger Kontrolle“ hätten, wurden aus dem Nachbarland Eritrea sechs Explosionen gemeldet.

Vor zwei Wochen schon hatten Truppen der Tigray-Volksbefreiungsfront (TPLF), die in Tigray regiert und ­gegen Äthiopiens Zentralregierung kämpft, Raketen auf die eritreische Hauptstadt Asmara geschossen. Die TPLF behauptet, dass Eritrea an der Seite der föderalen äthiopischen Truppen kämpfe. Unterdessen hatten die USA der TPLF vorgeworfen, durch den Beschuss Asmaras den Konflikt zu internationalisieren.

Erneute Raketenangriffe könnten bedeuten, dass für die TPLF der Kampf noch nicht vorbei ist. Nach Abiys Verkündung der Eroberung von Mekelle schrieb TPLF-Chef Debretsion Gebremichael der Presseagentur Reuters: „Wir werden für unser Recht auf Selbstbestimmung kämpfen.“ Laut Vermutungen verließen Debretsion und andere TPLF-Führer Mekelle schon vor Tagen, um in den Bergen von Tigray einen Guerillakrieg zu führen. Äthiopiens Armeechef Berhanu sagte am Sonntag, seine Soldaten machten nun „Jagd auf Mitglieder der TPLF-Junta, die sich verstecken“.

Äthiopiens Regierung hatte der TPLF-Führung in Mekelle am vergangenen Sonntag ein 72-Stunden-Ultimatum gesetzt, sich zu ergeben. Nachdem das Ultimatum am Mittwochabend ablief, blieb die Lage zunächst ruhig. Erst nachdem eine Vermittlung der Afrikanischen Union (AU) am Freitag zu ergebnislosen Gesprächen mit Abiy in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba geführt hatte, meldete die äthio­pische Seite am Samstag den angeblich unblutigen Einmarsch in Mekelle.

Von tigrayischer Seite wurde auch am Sonntag bestritten, dass Mekelle unter Kontrolle der äthiopischen Armee stünde. Die Region Tigray sprach in einer im Fernsehen verlesenen Stellungnahme von „Angriffen und Massakern mit Artillerie und Kampfflugzeugen“. Mehrere Viertel in Mekele seien „von Militärflugzeugen bombardiert“ worden. Alle Aussagen der beiden Konfliktparteien sind widersprüchlich und schwer zu überprüfen, weil unabhängiger Zugang nach Tigray verweigert wird. Auch der Zugang für viele Hilfswerke ist gesperrt. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) berichtete aus Mekelle, die Lage sei am Samstag „ruhig“ gewesen, aber das wichtigste Krankenhaus sei überfüllt mit Verwundeten. (mit afp)