Kommentar Merkels Pressekonferenz: Die Antipopulistin

Ist Angela Merkel zu wenig emotional, jetzt, da der Terror näher rückt? Nein: Es ist nicht ihr Job, den Gefühlshaushalt der Nation zu regulieren.

Die obere Hälfte des Kopfes von Angela Merkel

Bloß nicht überreagieren, bloß kein innerer Ausnahmezustand Foto: reuters

Es gibt zwei Arten, wie Politiker auf terroristische Anschläge antworten. Die Konservativen rüsten die betroffene Gesellschaft mental gegen den Feind auf. Wir gegen die. Durchgreifende Maßnahmen an der Grenze des von der Verfassung Erlaubten werden angekündigt. Das Versprechen lautet: Wenn man nur ausreichend hart und entschlossen vorgeht, kann Sicherheit geschaffen werden.

Die liberale Antwort ist schwieriger, auch weniger hochstaplerisch. Die Liberalen kündigen Sicherheitsmaßnahmen an, aber ohne den Eindruck zu erwecken, dass damit, zumal gegen Selbstmordattentäter, Schutz garantiert werden kann. Vor allem aber begreifen Liberale eher als Konservative, dass Mord nur das Mittel auch des islamistischen Terrors ist. Das Ziel ist es, Mehrheit und Minderheit aufzuhetzen und letztlich einen Bürgerkrieg zu provozieren.

Angela Merkel ist, jedenfalls in Sachen Terrorbekämpfung, eine Liberale. Sie trat in Berlin nüchtern, spröde auf und kein Jota anders als sonst. Das ist mehr als eine Stilfrage, es ist die Botschaft: Keine Panik. Bloß nicht überreagieren, bloß kein innerer Ausnahmezustand.

Denn das Ziel der Terroristen ist es, mit Angst die Demokratie zu zerstören. Deshalb warnt Merkel zu Recht davor, Muslime unter Generalverdacht zu stellen. Es wäre gut gewesen, wenn die Kanzler der Republik zu RAF-Zeiten so ausgewogen und kühl geredet und auf Normalität als Schutz vor Gewalt gesetzt hätten.

Aber ist es angesichts der Anschläge von Würzburg und Ansbach nicht zu wenig, wenn Merkel beharrt, dass die Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge richtig war? Ist die Kanzlerin nicht überhaupt zu wenig gefühlig? Wenn der Terror näher rückt, mögen sich manche scharfe Worte und emotionale Aufwallung wünschen. Aber das hat etwas Regressives, einen Rest von Obrigkeitsstaat. In einer aufgeklärten Demokratie ist es nicht der Job der Kanzlerin, den Gefühlshaushalt der Nation zu regulieren.

Die CSU setzt übrigens, als Gegenprogramm zur Kanzlerin, auf „Sicherheit durch Stärke“ und mehr von allem: markige Ankündigungen, Vorratsdatenspeicherung, Videoüberwachung, Polizei, Waffen. Es ist noch nicht ausgemacht, ob sich in der Union am Ende die Liberalen oder die Autoritären durchsetzen werden. Gerade wenn die Anschläge weitergehen.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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