Arbeitsmarktreform in Frankreich: Angst vor der Abstimmung
Mit einem neuen Gesetz weicht die Regierung den Arbeitnehmerschutz auf. Die Reform boxt sie mit einer Sonderregel ohne Abstimmung durchs Parlament.
PARIS ap | Trotz Protesten von rechten und linken Abgeordneten hat die französische Regierung ihre umstrittene Arbeitsmarktreform auch in der zweiten Lesung ohne Abstimmung durch die Nationalversammlung geboxt. Wie bereits bei der ersten Lesung im Mai nutzte Premierminister Manuel Valls am Dienstag wieder eine spezielle Verfassungsklausel. Durch diese gilt eine Vorlage als angenommen, sofern kein Misstrauensantrag gestellt wird und auch durchgeht.
Abgeordnete – auch aus dem linken Flügel von Valls sozialistischer Partei – verließen verärgert den Saal. Der Premier hingegen erklärte, er habe im allgemeinen Interesse gehandelt. Angesichts des Widerstands auch unter Sozialisten wäre er mit einer regulären Abstimmung möglicherweise gescheitert.
Der Streit über die Arbeitsmarktreform beherrscht die französische Politik seit Monaten. Die Regierung argumentiert, sie wolle mit der Reform die Arbeitslosigkeit bekämpfen. Um das zu erreichen, sollen unter anderem der Kündigungsschutz und die Begrenzung der Arbeitszeit gelockert werden. Kritiker monieren, die Maßnahmen brächten keine neuen Stellen und weichten nur den hart erkämpften Arbeitnehmerschutz auf.
In den vergangenen Monaten kam es zu einer ganzen Reihe von Streiks und Protestmärschen. Auch am Dienstag fand parallel zur Debatte in der Nationalversammlung eine Kundgebung statt.
Die Vorlage geht nun wieder an den von den Konservativen kontrollierten Senat, bevor sie zur dritten und letzten Lesung an die Nationalversammlung weitergeleitet wird.
Leser*innenkommentare
Friedrich Grimm
Frankreich ist zur Freude von Merkel und Schäuble zur Schröder-Republik verkommen. Denn Schröder hat ja im Grunde lediglich die Arbeit erledigt, die ein CDU-Regierung niemals in dieser Perfektion hinbekommen hätte. Die Unfähigkeit Lehren aus den Fehlern anderer zu ziehen ist weltweit verbreitet. Schon Schröder hat damals nicht aus den Fehlern von M. Thatcher gelernt, die Privatisierung wo es nur ging vorangetrieben. Und jetzt die gleiche Dummheit bei den Franzosen. Das ist erschütternd, zeigt aber auf, wie stark der Druck des Kapitals und der Konzerne ist.
Philippe Ressing
Erschreckend ist, dass in Frankreich sich anscheinend niemand darüber aufregt, dass das Parlament völlig entmachtet wurde. Eine Politik mit präsidialen 'Notverordnungen' des Prsäidenten gab es am Ende der Weimarer Republik unter Hindenburg - wo das endete, ist bekannt.
Urmel
Eigentlich müssten jetzt alle, die derzeit Referenden oder generell einen direkteren Einfluss der Wähler auf die Realpolitik als des Teufels deklarieren, durchweg jubilieren.
Da zieht eine kleine Politikerkate ihr Ding durch, völlig unbeeindruckt von Widerstand auf der Straße und in der gesamtem Bevölkerung. Hurra, die Politiker wissen doch auf jeden Fall besser, was für alle gut ist, als die doofen Wähler. Oder etwa nicht...?
Urmel
@Urmel Sorry: Statt "Politikerkate" müsste es natürlich "Politikerkaste" heißen.