Anti-Regierungs-Proteste in Brasilien: Zehntausende gegen Rousseff
Gut 80.000 Menschen haben am Sonntag in ganz Brasilien die Absetzung von Präsidentin Rousseff gefordert. Die Proteste sind jedoch kleiner als die im Sommer.
SãO PAULO epd | In Brasilien haben mehrere zehntausend Menschen für die Absetzung von Staatschefin Dilma Rousseff demonstriert. In der Wirtschaftsmetropole São Paulo gingen am Sonntag rund 40.000 Menschen auf die Straße, wie die Zeitung „Folha de São Paulo“ berichtete. Kundgebungen gab es auch in Großstädten wie Brasília, Rio de Janeiro und Curitiba. Insgesamt gab es laut Polizeiangaben Proteste in 87 Städten mit insgesamt 83.000 Teilnehmern.
Dennoch gingen weit weniger Menschen als bei den Großdemonstrationen vom März und August auf die Straße. Für diese Woche kündigten Anhänger Rousseffs landesweite Unterstützungskundgebungen angekündigt. Der brasilianische Kongress hatte nach langwierigen Debatten den Prozess für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Rousseff eingeleitet.
Die konservative Opposition wirft der Regierung vor, den Haushalt geschönt zu haben, um das Defizit im Wahlkampf künstlich niedrig zu halten. Der Rechnungshof hatte im Oktober den Etat für dieses Jahr wegen Unregelmäßigkeiten für illegal erklärt. Rousseff wies alle Anschuldigungen zurück und sprach von einem Staatsstreich.
Für eine Amtsenthebung der Präsidentin müssen zwei Drittel der Abgeordneten stimmen. Da Rousseff über keine Mehrheit im Parlament verfügt, ist unsicher, ob genug Stimmen für ihre Verteidigung zusammenkommen. Unklar ist noch, wann die Abstimmung im Kongress stattfindet.
Leser*innenkommentare
Henning Lilge
zuerst aufklärend: Brasilien hat zur Zeit über 200 Millionen Einwohner. 80 000 Menschen sind davon 0,04 Prozent!!! Das heisst: auf der Strasse ist möglicherweise nur die Oberschicht oder die mittlere Oberschicht, um ihre Privilegien zu verteidigen. Möglich?? Aussedem kann man in den Medien nachlesen, dass die selber korrupten Politiker des Koalitionspartners PMDB zusammen mit einer auch nicht gerade lupenreinen Opposition dieses Amtsenhebungsverfahren betrieben haben. Speziell der Politiker, der hofft Dilma Rousseff zu beerben und der das Amtsenhebungsverfahren angetrieben hat, steht unter starken Korruptionsanschuldigungen. Hier scheinen einige Politiker mit Hinweis auf Dilma Rousseff ihren Hals aus der Schlinge ziehen zu wollen. Es scheint ein neues Politikmittel zu sein, das "Strassenproteste" , die in der Presse hochgespielt werden, reguläre Wahlen neuerdings ersetzen. Dabei spielt die europäische Presse - inklusive der Taz - den internen und externen Politikinteressen einen Bärendienst. Ich ziehe bei Amtsversagen das von Chavez eingeführte Modell vor: jedes Amt kann durch ein erfolgreiches Referendum in der Mitte der Amtszeit neu zur Wahl (!) ausgeschrieben werden. Ich habe in Europa noch keine Regierung gesehen, die sich wegen Protesten von 0.04 % der Bevölkerung auch nur einen Zentimeter von der Regierungslinie abweicht. Ohne Frage ist Protest Ernst zu nehmen, fragt sich nur immer wer dahinter steht und für was demonstriert wird.
Mfg Henning Lilge