Massenproteste in Brasilien: „Je schlechter, desto besser“

Millionen fordern in Brasilien den Rücktritt der Mitte-links-Regierung von Dilma Rousseff. Die Linke bangt um den Erhalt der Demokratie.

Eine Menschenmenge füllt eine Straße am Strand

Forderung nach Amtsenthebung: Demonstranten in Manaus, Brasilien. Foto: reuters

RIO DE JANEIRO taz | Gelb-grün gekleidete Menschenmengen prägten am Sonntag das Bild in Hunderten brasilianischen Städten. Sie forderten den Rücktritt der Mitte-links-Regierung. In São Paulo gab es dem Umfrageinstitut Datafolha zufolge mit 500.000 Teilnehmern den größten Umzug, die Polizei sprach von 1,4 Millionen. Auch in Rio de Janeiro und Brasilia waren es über 100.000. Noch nie beteiligten sich so viele an einem Protesttag.

Die Demonstranten äußerten ihren Unmut über die Lage im Land, die von Opposition und Massenmedien als unzumutbar dargestellt wird. Anhänger der Regierung nennen dies den Appell an ein „Je schlechter, desto besser“ und verweisen auf die Blockadepolitik im Kongress, die das Regieren seit Monaten fast unmöglich macht.

Tonangebend ist auf der Straße jedoch der rechte Rand. Es ist der Ruf nach einer starken Führungsperson, während demokratische Spielregeln und rechtsstaatliche Normen eher als Problem gelten. Auf Plakaten wird eine Rückkehr der Diktatur herbeigesehnt oder eine Intervention der Militärs gefordert. Auch Fotos von Männern im Trikot der Nationalmannschaft mit zum Hitlergruß erhobener Hand kursieren in den sozialen Netzwerken.

Die rechte Opposition forciert ein Amtsenthebungsverfahren. Und nun droht auch noch der wichtigste Koalitionspartner PMDB mit Austritt aus der Regierung. Doch Rousseff gibt sich kämpferisch. In einer Ansprache am Freitag schloss sie einen Rücktritt kategorisch aus. Ihren Gegnern warf sie vor, eine politische Krise verursacht und so der Wirtschaft geschadet zu haben.

Das Amtsenthebungsverfahren – von der PT als „Putschversuch“ bezeichnet – steht auf wackeligen Füßen: Abgesehen von Kronzeugenaussagen, die der Presse illegal zugespielt wurden, ist es bisher nicht gelungen, Rousseff mit der Korruptionsaffäre in Verbindung zu bringen. Nun werden ihr illegale Wahlkampffinanzierung und Unregelmäßigkeiten in der Haushaltspolitik vorgeworfen. Ihre Beliebtheit ist auf knapp über zehn Prozent gesunken.

Linke planen Gegendemonstration

Für kommenden Freitag haben linke Parteien und Bewegungen zu Gegendemonstrationen zur Verteidigung der Demokratie aufgerufen. Viele stehen vor einem Dilemma: Rousseff kommt den Konservativen seit Längerem entgegen und verficht den Abbau von Arbeitnehmerrechten und Sozialleistungen. Die Mehrheit der Linken wird also nicht für Rousseff, aber gegen ihre Amtsenthebung demonstrieren.

Inzwischen haben die Ermittlungen im Korruptionsskandal die Spitze der PT erreicht und betreffen sogar den einst so populären Expräsidenten Lula. Demnach flossen Bestechungsgelder in die Taschen von Politikern und an politische Parteien, die zumeist der Regierungskoalition angehörten.

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