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Nach dem Wärmepumpentheater Fernwärme stärkt Demokratie

Die Bundesregierung hat endlich kapiert, dass die Wärmewende nur über kommunale Fernwärme klappt. So wird Wärme zum öffentlichen Gut wie Wasser. Doch es gibt ein Problem.

Nicht Wärme sondern vor allem finanzielle Unterstützung muss der Bund in die Kommunen pumpen. picture alliance/dpa | Christian Charisius

Von UDO KNAPP

taz FUTURZWEI, 15.08.2023 | Rund 18 Prozent aller CO2-Emissionen in Deutschland entstehen beim Beheizen oder Kühlen von Gebäuden und der Warmwasserbereitstellung. Jährlich sind dies mehr als 150 Millionen Tonnen CO2. Sollen die 1,5 Grad globaler Erwärmung bis 2035 nicht überschritten werden, ist die Wärmewende ein Muss.

Die Politik muss entscheiden, ob sie die Verantwortung für das Aussteigen aus fossil erzeugter Wärme mit Ordnungspolitik den Mietern und Eigentümern von Wohnungen und Häusern überträgt, die das mit Wärmepumpen und anderen Tools erledigen – oder ob die Wärmwende als öffentliche Aufgabe der Daseinsfürsorge vollzogen werden soll, also mit der Fernwärme.

Die Wärmepumpenrichtlinie schreibt, mit vielen Ausnahmen, das Auswechseln der fossilen Heizungen nach festen Regeln vor. Das Gemecker darüber war und ist groß. Aber viele der Eigenheimbesitzer haben inzwischen, mit hoher öffentlicher Förderung, den Einbau von Wärmepumpen und alle dazugehörenden Investitionen (Dämmen, Aufbau von Photovoltaik-Anlagen mit Speichern und Vorrichtungen zum Einspeisen der Energieüberschüsse) erledigt, schließlich steigert das den Wert ihrer Immobilien. Der Beitrag der privaten Wärmepumpen zur Wärmewende bleibt aber insgesamt zu niedrig. Denn im Streit um die Wärmpumpen-Einbauzwänge wird ignoriert, dass bis zu 60 Prozent aller Leute als Mieter bei Wohnungsbaugesellschaften oder privaten Immobilienbesitzern wohnen, in deren Geschosswohnungsbauten in dicht bebauten Städten Wärmepumpen kaum einsetzbar sind. Hier können nur Fernwärme und ausgebaute Wärmenetze zu einer erfolgreichen Wärmewende führen.

Keine Wärmewende ohne Fernwärmeausbau

Im Wärmepumpentheater der letzten Wochen haben nun auch die Politiker im Bund gelernt, dass es ohne kommunale Wärmeplanung und Ausbau der Fernwärme keine Wärmewende geben kann. Deshalb hat die Bundesregierung vor der Sommerpause eine Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) von 2019 in den Bundestag eingebracht, in dem das Heizungsgesetz mit seinen Umbauvorgaben für die Heizungen an die kommunale Wärmeplanung gekoppelt werden soll.

In allen Großstädten müssen demnach bis 2026 und in allen übrigen Kommunen bis 2028 verbindliche Wärmepläne beschlossen werden. Alle Eigentümer und Mieter sollen dann wissen, mit welchen Heizungsvarianten in ihrer Kommune die CO2-Vorgaben der Bundesregierung erfüllt werden sollen. Bis zur Vorlage dieser Pläne sollen Übergangsregelungen gelten.

Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hessen und vor allem Baden-Württemberg haben in ihren Ländern eine solche öffentliche Wärmeplanung schon vor Jahren auf den Weg gebracht. In Baden-Württemberg haben die Grünen bereits unmittelbar nach Übernahme der Regierung durch Winfried Kretschmann im Jahr 2011 ihre Kommunen auf Wärmeplanungen verpflichtet. Diese müssen sie 2024 abgeschlossen haben. In Hannover hat der 2019 ins Amt gekommene Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) bereits 50 Prozent Fernwärmeversorgung erreicht. In Tübingen, Freiburg und vielen anderen Kommunen gibt es öffentliche, von den jeweiligen Stadtwerken erarbeitete und bereits in die Umsetzung übersetzte Versorgungspläne mit Fernwärme. Die Leute in diesen Kommunen haben keinen Klimawende-Wärmepumpen-Heizungsstress – sie unterstützen den Ausbau der Fernwärme. Sie verlangen sogar immer häufiger von ihren Bürgermeistern schneller oder überhaupt an die Fernwärme angeschlossen zu werden.

Kraft der Kommunen

Die Wärmepläne schließen allerdings isolierte Eigenheimsiedlungen, die am Stadtrand liegen, wegen unvertretbar hoher Investitionskosten für die Allgemeinheit vom Anschluss an die Wärmenetze aus. Aber auch hier zeigt sich die einigende Kraft kommunaler Versorgungsstrukturen und -angebote. Es gibt Stadtwerke, die für diese Gebiete Insellösungen anbieten und sie auch umsetzen, wenn sich alle dort Wohnenden einig sind und die Extrakosten tragen.

Es gibt sogar Kommunen, in denen nach heftigen Diskussionen dann doch mit großen Mehrheiten ein Anschlusszwang an die städtische Wärmeversorgung beschlossen worden ist. Es verwundert nicht, dass FDP und CDU in diesen Fällen den Anschlusszwang im Interesse der Mehrheit der Bürger als Eingriff in die individuellen Freiheiten der Bürger zurückweisen. Es verwundert auch nicht, dass die Nachfrage nach Wärmepumpen wieder zurückgegangen ist – realisieren doch immer mehr Leute, dass sie sich auf Ihre Kommunen verlassen können.

Kommunale Selbstverwaltung gewinnt mit einer zukünftig fossilfreien Fernwärmeversorgung durch die Stadtwerke an Gewicht. Klimapolitik wird in der von den Kommunen gestalteten Wärmewende zu einer gemeinsamen Zukunftsaufgabe aller Bürger, ihrer Vertretungen und ihrer Verwaltungen. Wie vor Jahrhunderten Wasser und Abwasser, verwandeln die Kommunen Wärme in ein öffentliches Gut der staatlichen Daseinsfürsorge. So stärkt Klimapolitik vor Ort die Demokratie.

Keine Unterstützung bei hohen Investitionkosten

Einen Haken hat dieses demokratische Klima-Wärme-Wetterleuchten in den Kommunen aber dann doch. Die Kosten für den Ausbau der Fernwärmeversorgung sind gewaltig. So müssen etwa in Heidelberg bis 2035 zwischen 100 und 140 Kilometer neue Fernwärmeleitungen gebaut werden. Die Heizwerke der Stadtwerke müssen auf Geothermie, Abwärme, Biomasse und Strom umgestellt und dazu noch wasserstofftauglich nachgerüstet werden. Die Stadtwerke Heidelberg veranschlagen dafür Investitionskosten in Höhe von etwa 835 Millionen Euro. Für die Kredite, die für vergleichbare Projekte überall in der Republik aufgenommen werden müssen, fehlt den Kommunen das Eigenkapital.

Im neuen Wirtschaftsplan des Klima- und Transformationsfonds (KTF) der Bundesregierung, der mit 212 Milliarden Euro ausgestattet ist, kommt die kommunale Wärmewende als Subjekt öffentlicher Förderung nicht vor. Doch ohne ein milliardenschweres Förderprogramm für die Erarbeitung und Umsetzung der kommunalen Wärmepläne machen diese Pläne keinen Sinn. Dabei wären 30 Milliarden für die Wärmewende der Kommunen und ihre Stadtwerke bis 2030 gleichzeitig 30 Milliarden in klimapolitische Demokratieförderung. Aber noch nicht mal ein KfW-Förderprogramm für die Kommunen mit zweckgebunden Krediten für die Eigenmittel-Aufstockung der Stadtwerke hat es in den Klima- und Transformationsfonds geschafft. So gesehen braucht sich die Bundesregierung über die hohen Zustimmungswerte für die Klimawandelleugner und Demokratiefeinde der AfD nicht zu wundern.

UDO KNAPP ist Politologe und kommentiert an dieser Stelle regelmäßig das politische Geschehen für taz FUTURZWEI.