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Mitbestimmung in der Politik Von Polen lernen

Bei Bürgerräten geht es um transparente Kommunikation zwischen Bür­ge­r*in­nen und politischen Institutionen. Polen ist hier in Teilen schon weiter und könnte Vorbild für Deutschland sein.

Ein Bisschen mitreden durften die Bürger:innen in Deutschland schon – etwa beim Bürgerrat „Ernährung im Wandel“, dessen Mitglieder hier im Januar 2024 zum Gruppenfoto versammelt sind Foto: picture alliance/dpa/Christophe Gateau

taz lab | Wussten Sie, dass Bürgerräte in polnischen Städten eine bedeutende Rolle spielen? Bürgerräte sind Veranstaltungen, bei denen zufällig ausgewählte Bür­ge­r*in­nen – unter Berücksichtigung von Alter, Wohnort und Bildungsgrad – gemeinsam über politische Fragen beraten und Empfehlungen für die Politik erarbeiten.

In den letzten Jahren lässt sich in demokratischen Staaten weltweit beobachten, dass Formen deliberativer Demokratie, bei denen Bür­ge­r*in­nen in Gestalt von Bürgerräten oder Bürgerhaushalten aktiv in politische Aushandlungsprozesse eingebunden werden, immer relevanter werden.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) spricht in einer Studie von 2020 gar von einer deliberativen Welle, welche die westliche Welt erfasst hat. Es hat oft den Anschein, dass dies nur Staaten wie etwa Deutschland, Frankreich oder Irland betrifft. Zumindest werden in deutschen Medien meist nur Bürgerräte dieser Länder aufgegriffen.

Vorbild für Deutschland?

Prominent waren zum Beispiel die Citizens’ Assemblies in Irland, mit denen das Referendum für die Abschaffung des Abtreibungsverbotes vorbereitet wurde.

Ebenfalls viel Aufmerksamkeit erhielt der französische Klimabürgerrat, bei dem Macron im Vorfeld versprochen hatte, einen Teil der Empfehlungen der Bür­ge­r*in­nen umzusetzen. Und ganz aktuell ist der Bürgerrat Ernährung in Deutschland zu Ende gegangen, bei dem es sich um das erste Format dieser Art handelte, das durch die Bundesregierung initiiert wurde.

Doch auch außerhalb dieser Länder kann man diese Beteiligungsform immer öfter beobachten. In Polen werden in Städten schon seit Mitte der 2010er Jahre verstärkt Bürgerräte durchgeführt, die sich mit Fragen der Mobilität und Klimapolitik auseinandersetzen. Das Bemerkenswerte: Diese Bürgerräte werden in der Regel vom Bürgermeister oder der Stadtverordnetenversammlung initiiert. Dadurch sind sie stark mit der politischen Entscheidungsfindung verbunden.

Transparenz ist wichtig

Das ist besonders, weil dies mit Blick auf andere europäische Staaten keinesfalls die Regel darstellt. Diese Verknüpfung ist wichtig. Wie sollen sie auch sonst etwas ändern, wenn die Vorschläge in irgendwelchen Schubladen verschwinden?

Die Bürgerräte in Polen zeigen, dass es nicht darum geht, jede Empfehlung umzusetzen. Wichtiger ist die transparente Kommunikation über den Umgang mit den Vorschlägen, zwischen den Bür­ge­r*in­nen und den politischen Institutionen.

Hier zeigt sich die Vorbildfunktion der polnischen Bürgerräte für Deutschland: In Lublin wurde zum Beispiel 2018 ein Bürgerrat durchgeführt, der sich mit Fragen der Mobilität in der Stadt auseinandersetzte. Hier wurden 55 Vorschläge an die Politik übergeben und deren Umsetzung transparent und detailliert dokumentiert. Dabei wird für jeden Vorschlag im Detail erklärt, wie und ob er umgesetzt wurde. Wird ein Vorschlag für nicht umsetzbar erklärt, wird dies im Detail begründet.

Über die Demokratie in Polen und ihre Vorbildfunktion für Europa sprechen wir auf dem taz-Kongress: 09 Uhr, Gelbe Bühne