Zwischenlager in Würgassen: Atommüll kann wohl rollen

Die Entsorgungskommission des Bundes befürwortet das Zwischenlager in NRW. Es soll den Müll aufnehmen, der später im Endlager Schacht Konrad landet.

Ein Aufkleber in einem Autofenster.

Das neue Symbol der Anti-Akw-Bewegung? Protest in Würgassen im März 2023 Foto: imagebroker/imago

GÖTTINGEN taz | Entsetzt reagierten Umweltschützer im Weserbergland, als die Entsorgungskommission (ESK) des Bundes am Mittwoch ihre Empfehlung zum Bau eines großen Atommüllzwischenlagers in Würgassen veröffentlichte. Das Expertengremium kommt nämlich zu dem Ergebnis, „dass ein Logistikzentrum für die optimierte Anlieferung an das Endlager Konrad erforderlich ist“. Den Standort Würgassen hält die ESK für „plausibel“.

Auf dem Gelände des stillgelegten AKW Würgassen in Ostwestfalen, im Dreiländereck von Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hessen, will die bundeseigene Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) eine 325 Meter lange, 125 Meter breite und 16 Meter hohe Halle bauen. Ab 2029 soll sie sämtlichen in Deutschland angefallenen schwach und mittelradioaktiven Müll aufnehmen, der später für eine Endlagerung im Schacht Konrad in Salzgitter vorgesehen ist – beispielsweise Pumpen, Rohre, Schutzkleidung, verstrahltes Abbruchmaterial aus den Atomkraftwerken, aber auch Abfälle aus der Medizin und Forschung, insgesamt rund 300.000 Kubikmeter.

In seinen geschätzt 30 Betriebsjahren wird das offiziell sogenannte Logistikzentrum Konrad (LoK) in Würgassen den Planungen zufolge quasi rund um die Uhr von Lastwagen und Zügen angefahren, die den strahlenden Schrott anliefern und, teils neu sortiert, wieder abholen und nach Salzgitter weitertransportieren. Die Kosten für die Errichtung des Zwischenlagers werden auf mindestens 450 Mil­lio­nen Euro geschätzt.

Bürgerinitiativen, Bürgermeister und Kommunalparlamente in allen drei Anrainer-Bundesländern machen seit Jahren gegen das Logistikzentrum mobil. „Atommüll aus der ganzen Republik soll nach Würgassen gekarrt werden“, sagte Dirk Wilhelm vom Verein „Atomfreies 3-Ländereck“ der taz. Die BGZ habe den potenziell durch Hochwasser gefährdeten Standort ohne ein vernünftiges Genehmigungsverfahren und ohne Beteiligung der Öffentlichkeit durchgedrückt. Durch das Lager werde sich zudem die Zahl der gefährlichen Atommülltransporte durch Deutschland deutlich vermehren, die vorhandene eingleisige Bahnlinie werde durch die Fuhren völlig überlastet.

Ungeklärt, ob Endlager überhaupt in Betrieb geht

Völlig ungeklärt ist überdies, ob das Endlager Konrad überhaupt in Betrieb geht. Denn die Umweltverbände BUND und Nabu haben den Widerruf der Baugenehmigung beantragt. Die Kritik: Konrad entspreche nicht dem Stand von Wissenschaft und Technik, es handele sich um ein altes Bergwerk, es habe kein vergleichendes Auswahlverfahren gegeben. Der TÜV stellte kürzlich in einer von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen beauftragten Studie infrage, ob ein vorgeschaltetes Logistikzentrum überhaupt benötigt wird. Die Landesregierung in Hannover positionierte sich ebenfalls gegen die Pläne.

Die Entsorgungskommission kommt hingegen zu dem Schluss, „dass wesentliche Schlussfolgerungen der TÜV-Bilanzierungsstudie auf nicht ausreichend vollständigen, aktuellen und robusten Annahmen beruhen“. Nach einer genaueren Betrachtung des zu erwartenden Transportaufkommens bestehe auch keine Notwendigkeit für eine zweigleisige Anbindung. Die BGZ sieht sich darin bestätigt, „dass nur mit dem Logistikzentrum eine schnelle und reibungslose Anlieferung an das Endlager Konrad erfolgen kann“. Der Generalbevollmächtigte für das LoK, Christian Möbius, sagte, die BGZ werde jetzt zuversichtlich auf eine endgültige Entscheidung aus Berlin warten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.