Wolfsrudel in Niedersachsen: Grüner Ratsherr will den Abschuss

Der Gemeinderat von Goldenstedt fordert in einer Resolution vom Land Niedersachsen, dass ein ganzes Wolfsrudel in der Region abgeschossen wird.

Ein Wolf mit einem halb geöffneten Maul.

Gefährlich oder nicht? Bei der Einschätzung von Wölfen scheiden sich die Geister Foto: dpa

HANNOVER taz | Im niedersächsischen Goldenstedt fordert ein grüner Ratsherr den Abschuss eines ganzen Wolfsrudels. Die in der Region Vechta und Diepholz lebende Wölfin und ihre Nachkommen müssten „sofort entnommen werden, weil die Gefahren zu groß sind“, heißt es in einer Resolution, die der Rat der Gemeinde im Dezember einstimmig verabschiedet und an Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) geschickt hat.

In der ursprünglichen Fassung stand lediglich, dass die Ratsmitglieder eine unkontrollierte Ausbreitung der Raubtiere für „höchstgradig gefährlich“ halten. Der Grüne Antonius Meyer setzte sich dann jedoch damit durch, gezielt die Entnahme des Rudels zu fordern.

In Goldenstedt und der Umgebung haben die Wölfe in den vergangenen Monaten mehrfach Schafe und andere Nutztiere gerissen. Seit Mai 2017 wurden laut dem niedersächsischen Umweltministerium 42 Nutztiere getötet. Zudem sei die Wölfin, die das Rudel anführt, auch in der Siedlung gesehen worden, sagt Meyer. „Sie war nicht so scheu, wie der Wolf das sein sollte.“ Die Tiere seien wohl angefüttert worden, vermutet Meyer.

Der Grüne ist nicht für den Abschuss aller Wölfe, aber in diesem Fall sei es wichtig, die Tiere zu töten, bevor sie das fehlgeprägte Verhalten an die nächste Generation weiter geben. „Die Nähe zum Menschen und das Über-Zäune-Klettern lernen die Jungtiere von der Wölfin.“

Willibald Meyer, der Bürgermeister von Goldenstedt (CDU), bereut den letzten Satz der Resolution mittlerweile. Im Netz gibt es zwei Petitionen gegen den Abschuss. Tausende Menschen aus der ganzen Welt haben sie unterzeichnet. „Eigentlich wollten wir die Landesregierung nur auffordern, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen“, sagt Willibald Meyer. „Wir wollen, dass der Mensch die Oberhand bekommt.“ Der Wolf solle jedoch nur erschossen werden, wenn er dem Menschen zu nahe komme. „Wir sind nicht die Killer des Wolfes“, sagt Meyer.

In Niedersachsen leben nach dem Stand von 2017 rund 100 Wölfe.

Das SPD-geführte Umweltministerium arbeitet derzeit an einer neuen Wolfsverordnung. Die Regelung soll den bundes- und europarechtlichen Rahmen für die Vergrämung und die Entnahme, also die Tötung von Wölfen, voll ausschöpfen.

Für Präventionsmaßnahmen auf den Weiden, wie Zäune oder Hütehunde, sowie Ausgleichszahlungen für gerissene Nutztiere hat das Land für dieses Jahr 510.000 Euro veranschlagt.

Trotzdem steht in seiner Resolution die Forderung, alle Wölfe in Goldenstedt zu erschießen – ohne ein Wort über eine vorgelagerte wissenschaftliche Untersuchung. Der Bürgermeister erklärt die Stimmung in seiner Gemeinde so: Es habe sich eine Angst vor dem Wolf breit gemacht, seitdem einer in der Nähe eines Waldkindergartens gesichtet worden sein soll. „Eltern bringen ihre Kinder mit dem Auto zur Bushaltestelle“, sagt Willibald Meyer. „Die sollen uns damit in Hannover nicht einfach allein lassen.“

Hinzu kommen die Nutztierrisse. Alle Weidetiere einzuzäunen sei nicht möglich, sagt der Bürgermeister, „weil es hier tausende von Tieren gibt.“

Das Land Niedersachsen zahlt bis zu 80 Prozent der Kosten für hohe, stromführende Zäune. Das nutzen aber nicht alle Landwirte: „Die Herdenschutzmaßnahmen entsprachen in einer Reihe von Fällen nicht den Empfehlungen oder zumindest dem wolfsabweisenden Mindestschutz“, sagt eine Sprecherin des Umweltministeriums. In zwei Fällen hätten die Wölfe eine Zaunhöhe von 120 Zentimetern überwunden. In 18 Fällen war der Mindestschutz nicht vorhanden.

Jan Olsson hat das Wolf-Informations- und Schutzzentrum Vechta gegründet. Der Verein versucht, Informationen über die Wölfe in der Region zu sammeln und dokumentiert den Herdenschutz auf den Weiden. „Auch nach drei Jahren der Anwesenheit der Wölfe gibt es immer noch kaum eine Bereitschaft für Präventionsmaßnahmen“, sagt er.

Doch auch wenn Wölfe teilweise Nutztiere rissen oder an menschlichen Behausungen vorbei gingen, hieße das nicht, dass sie die Scheu vor dem Menschen verloren hätten, sagt der Tierschützer. „Alle Wölfe in Goldenstedt meiden den Menschen und zeigen keine Aggressionen.“ Auch die Sorgen der Eltern im Dorf hält Olsson für unbegründet. „Wölfe fressen keine Kinder.“ Einen Grund für den Abschuss des Rudels gebe es daher nicht.

Keine Angriffe auf Menschen bisher

Das Umweltministerium bestätigt, dass es bisher keine Anzeichen dafür gibt, dass die Wölfe in Goldenstedt die Scheu vor dem Menschen verloren haben. Angriffe hat es in ganz Niedersachsen bisher nicht gegeben.

Auch der Grüne Landtagsabgeordnete und Ex-Landwirtschaftsminister Christian Meyer hält wenig von dem Vorstoß seines Parteikollegen. „Eine Entnahme kann nur das letzte Mittel sein“, sagt er, „also wenn Wölfe für den Menschen gefährlich werden oder ein nicht normales Verhalten zeigen.“

Konkret bedeutet das: Wenn Wölfe immer wieder über Zäune springen, dürfen sie erschossen werden. Das aber müsse wie im Fall des im Jahr 2016 erschossenen Wolfes „Kurti“ von der Forschungsstelle des Bundes wissenschaftlich belegt werden. „Solange das beim Goldenstedter Rudel noch nicht passiert ist, wäre das ein Verstoß gegen das EU-Naturschutzrecht.“

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