WM-Finale Frankreich – Kroatien: Liberté, égalité, Mbappé

In einem von individuellen Fehlern geprägten Finale setzt sich der Favorit durch. Französische Organisation schlägt kroatischen Kampfgeist.

Griezmann und Mbappé

Die Spieler des Spiles: Antoine Griezmann und Kylian Mbappé Foto: AP

Die Voraussetzungen: Kroatien, zum ersten Mal, unglaublich! Viel zu aufregend für Verben! Wahnsinn und Trara! Zeit für Historić! Aber die Franzosen sind eben die Spaßverderber des Turniers. Erst haben sie gegen Dänemark den Zuschauer vergrätzt, dann die Belgier eingemauert, die individuell beste Mannschaft des Turniers. Die Experten waren sich einig: Das war ein vorgezogenes Finale. Und dass Frankreich gegen Kroatien nichts passieren kann. Aber Vorsicht! Großes Kino! Kampf und Leidenschaft!

Das Ergebnis: 4:2 (2:1).

Das Spiel: Frankreich im lässigen Blau spielt das mäßig schlau: mit vornehmer Zurückhaltung und Nonchalance, wie eine elegante Dame, einen seltenen Kunstkatalog unterm Arm, rue de Rivoli auf den Bus wartet, zieht die Franzosen ihr Spiel auf, bis sie einen Zweikampf verlieren. Immer dann: Kroatien! Zweikampf, Powerfußball! Zackzack, nach vorne! Rumms und daneben! Macht nix, weiter! Perisic, immer wieder Perisic!

Eine gewisse Grundsicherheit in der Defensive hat Frankreich sich ja tatsächlich erarbeitet das Turnier über, quelle chance; so kann nach 18 Minuten Antoine Griezmann zunächst grundlos, aber beherzt zu Boden gehen, um dann einen Freistoß in den Sechzehner zu zwirbeln, den Mandzukic ins lange Ecke ditscht. Ein mistiges Kacktor, un but der merde, ein Tor wie ein Werk von Jeff Koons: sieht maximal beschissen aus, ist aber eine Menge wert.

Aber dann! Freistoß! Eierball! Boing, boing, boing! Durch den Strafraum! Die Franzosen, in vornehmer Zurückhaltung, kommen nicht ran an den Flummi-Ball, und: Perisic! Mit links, zackrumms! Ein Schlag wie mit dem Vorschlaghammer! Ausgleich! Weiter geht's! Das ist nur gerecht. Das Führungstor war zu prosaisch. Und es wird noch prosaischer! Nach einem Eckball: Perisic! Im eigenen Strafraum die Hand am Ball! Videobeweis! Elfmeter! Und Griezmann, in aller Gelassenheit, legt ihn rein. Dann, nochmal: Kroatien! Eckball, Eckball, Eckball! Knapp und knapper! Aber ne. Poluvrijeme! Klingt wie ein Schimpfwort, heißt aber Halbzeitpause.

Gruppe C: 🇫🇷 FRA 2:1 AUS 🇦🇺

Gruppe C: 🇫🇷 FRA 1:0 PER 🇵🇪

Gruppe C: 🇫🇷 FRA 0:0 DEN 🇩🇰

Achtelfinale: 🇫🇷 FRA 4:3 ARG 🇦🇷

Viertelfinale: 🇫🇷 FRA 2:0 URU 🇺🇾

Halbfinale: 🇫🇷 FRA 1:0 BEL 🇧🇪

Auch in der zweiten Hälfte flaniert Frankreich mehr durch das Spiel, häufig mit einem wissenden Lächeln auf den Lippen, unterbricht den Fluss, um die Schönheit des Moments zu genießen, richtet sich das Monokel, vertändelt den Ball und dann: Kroatien, Pass in die Spitze, Schuss. Aber zu hastić. Hinten fluchen Pogba und Lloris. Der Offensivplan der Franzosen heißt: liberté Mbappé. Lange Bälle kommen auf ihn, weil Lovren und Vida ihn nicht halten können. Und so geht er auch, die erste Stunde ist fast rum, rechts durch, Pass in die Mitte, Griezmann jongliert den Ball durch den Sechzehner, und dann Paul Pogba, der Vielgescholtene, sein erster Schuss bleibt noch hängen, der zweite schlägt links mittig ein.

Frankreich schaltet nicht in den Belgien-Modus um, Kroatien: fertig. Demoralisiert. Mbappé hat einen freien Versuch am Sechzehner und legt ihn ins linke Eck: 4:1. Da denkt man, rien ne va plus, le chat est mort und dass frêre Jacques die cloches schon alle gesonnt hat, da holt ausgerechnet der bisher so strenge Hugo Lloris das Silbertablett heraus und legt Mandzukic das 4:2 in den Fuß.

Gruppe D: 🇭🇷 CRO 2:0 NGA 🇳🇬

Gruppe D: 🇭🇷 CRO 3:0 ARG 🇦🇷

Gruppe D: 🇭🇷 CRO 2:1 ISL 🇮🇸

Achtelfinale: 🇭🇷 CRO 3:2 DEN 🇩🇰

Viertelfinale: 🇭🇷 CRO 4:3 RUS 🇷🇺

Halbfinale: 🇭🇷 CRO 2:1 ENG

Könnte noch spannend werden! Aber nein. Frankreich nimmt Platz auf der Parkbank, um mit dem Fuß zu wippeln; eine aktive Gestaltung des Geschehens scheint zu riskant. Nach vorne tut sich nichts mehr, und bei Kroatien? Auch nicht. Zweite Reihe bumm. Fluss kommt erst ins kroatische Spiel, als Modric sich nach langer Abstinenz ins Spiel einschaltet. Aber da fangen die Franzosen schon das Liegenbleiben an. Und dann: Jübél, Trübél, Eiterkeit. Vor dem Spiel hatte der kroatische Trainer Zlatko Dalic prophezeit, sein Kollege Didier Deschamps werde nie zwei Mal Weltmeister; et ben si. Et ben voilà.

Die Statistik des Spiels: Aus einem Torschuss in der ersten Halbzeit machte Frankreich zwei Tore. Wäre die französische Industrie ähnlich effektiv gewesen die letzten 50 Jahre, wäre das Land freudlos, aber reich.

Und nun? Gérard Dépardieu liegt schon betrunken auf dem Teppich. Vielleicht hat Emmanuel Macron an einem Weinkorken geschnuppert. Prost auf das Land, das kein Bier zu brauen versteht!

Am 27. Juli, Punkt 19 Uhr, geht es weiter: Braunschweig gegen Karlsruher SC. Und auch Frankreich wird man auf deutschen Bildschirmen bald wieder sehen: am 6. September 2018 spielt die Équipe in München, erster Spieltag Nations League. Mal sehen, ob bis dahin Jogi Löw noch Trainer ist; und wie lange noch danach.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.