Vorschlag für neues Waldgesetz: Könige der Forste

Nach Dürren und Käferplagen: Während in Berlin Umweltschützer Ideen für ein Waldgesetz vorlegen, wollen in Mainz Jäger Privilegien retten.

Ein Hirsch mit großem Geweih steht vor Wald und Wiesen

Frisst gerne junge Laubbäume: Hirsch im bayerischen Voralpenland Foto: Rolf Poss/imago

BERLIN taz | Im Wald steht derzeit alles in Frage: Wie er angesichts des Klimawandels erhalten werden kann; wie sich künftig mit ihm Geld verdienen lässt und wofür sein Holz verwendet werden sollte. Ob dieser Herausforderungen passen die alten Waldgesetze auf Landes- und ­Bundesebene nicht mehr und werden novelliert. Das zuständige Agrarministerium erarbeitet gerade einen Vorschlag für ein neues Bundeswaldgesetz, der demnächst in die beteiligten Ministerien geschickt und in die Verbändeanhörung gehen soll.

Um die Diskussion voranzutreiben, haben die vier Umweltverbände DNR, DUH, Nabu und WWF am Mittwoch in Berlin schon mal einen eigenen Vorschlag für ein Bundeswaldgesetz gemacht. Dabei rücken sie den Wald als Lebensraum sowie als Wasser- und Kohlendioxidspeicher in den Mittelpunkt.

„Wir brauchen einen neuen und langfristigen Gesellschaftsvertrag mit den Waldbesitzenden, der dem Erhalt des Waldes als unsere Lebensgrundlage dient“, sagt DNR-Geschäftsführer Florian Schöne, „Einkommen sollte nicht nur durch forstliche Nutzung, sondern auch durch Honorierung von Schutz und Erhalt des Waldes gesichert werden.“ Dabei müssten Bund, Länder und Kommunen als Waldbesitzer „besonders verantwortungsvolle Standards“ einhalten, forderte Jörg-Andreas Krüger vom Nabu.

Konkret sieht der Gesetzestext der Umweltverbände etwa vor, die Entwässerung des Waldbodens zu verbieten. Dies sei angesichts von Dürren und Hitze ein wichtiger Vorschlag, sagt Matthias Fischer von der Naturwald Akademie, allerdings sei die „Praxis vor Ort extrem kompliziert“. Die Regeln zum Wasserhaushalt beruhten zum Teil auf Gesetzen aus dem Mittelalter, so Fischer. Alle Anlieger am Wasserabfluss haben ein Mitspracherecht, also etwa Waldbesitzer, Bauern und Kommunen.

„Der Aufwand wird unterschätzt“

Fischer nennt ein „klassisches Beispiel“: Im Herbst tritt ein Waldbach regelmäßig über die Ufer und überschwemmt ein anliegendes Maisfeld. Der Landwirt, dem der Acker gehört, kann nun verlangen, dass kein Wasser vom Wald auf das Feld fließt und der Waldbesitzer den Bach umlegt oder zuschüttet. „Selbst wenn das Bundeswaldgesetz entsprechend geändert wird, muss noch auf Ebene der Länder und Kommunen das Wasserrecht geändert werden“, sagt Fischer, „der Aufwand wird unterschätzt“. Trotzdem sei es gut, das Thema in das Bundeswaldgesetz aufzunehmen, denn das würde die Richtung für die unteren staatlichen Ebenen vorgeben, so Fischer.

Weiter empfiehlt der Gesetzesvorschlag, die natürlichen Regenerationskräfte des Waldes zu nutzen und diese Pflanzaktionen mit standortfremden Bäumen vorzuziehen. Bäume sollen sich aussäen. Damit können sich Exemplare ansiedeln, die mit den jeweiligen klimatischen Bedingungen zurechtkommen und einen neuen Wald bilden – wie auch immer der dann aussehen mag. Auf Naturverjüngung wollen viele Förs­te­r:in­nen setzen, schon, weil sie kostengünstiger ist als Pflanzungen.

Rehe und Hirsche fressen junge Laubbäume

Allerdings steht dieser Praxis der dichte Wildbestand in den deutschen Forsten entgegen, denn Rehe und Hirsche fressen junge Laubbäume regelmäßig ab. Und so findet in dem Vorschlag von DNR und Co auch das Jagdwesen an verschiedenen Stellen Erwähnung: „Die Zielsetzung und Ausgestaltung der Jagdausübung unterstützen die Ziele der Waldentwicklung im Sinne dieses Gesetzes“, heißt es unter anderem. Was lapidar klingt, birgt Sprengstoff, denn an neuen Regeln für Jä­ge­r:in­nen haben sich in den vergangenen Jahren verschiedene Landes- und Bundesregierungen die Zähne ausgebissen. Die Jägerschaft zeigt sich stets hervorragend organisiert und verteidigt machtvoll ihre Interessen, aktuell in Rheinland-Pfalz.

Die grüne Klimaschutzministerin Katrin Eder arbeitet dort an einer Reform des Jagdrechts; am Donnerstag wird der Landesjagdverband ihr dazu seine Stellungnahme mit dem üblichen Getöse überreichen. Eder plant, die Rechte der Waldbesitzer zu stärken, damit diese ihre Bäume besser vor Wildverbiss schützen können. Ist der junge Wald in einem Gebiet gefährdet, sollen die Besitzer dort selbst jagen dürfen, wenn sie im Besitz eines Jagdscheines sind. Bis jetzt ist das nur Waldbesitzern mit sehr großen, zusammenhängenden Flächen gestattet, die eine sogenannte Eigenjagd bilden.

Der ebenfalls grüne Umweltminister Axel Vogel ist kürzlich mit einem ähnlichen Vorschlag in Brandenburg gescheitert. Nach einer aggressiven Kampagne der Jägerschaft hatte am Ende Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), selbst Jäger, die Reform vom Tisch gefegt. Allerdings: Wenn derzeit alles im Wald in Frage steht, dann wohl auch die Privilegien der Jäger.

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